Studiengangsleiter/in ein neuer Beruf?

Der Weiterbildungsmarkt für Lehrpersonen und andere Hochschulabsolvierende differenziert sich weiter aus. Weiterbildungsstudiengänge gewinnen an Bedeutung und stellen neue Anforderungen an ihre Anbieter. Die/der Studiengangsleiter/in ist dabei eine Schlüsselperson. Noch ist die Funktion der Studiengangsleitung wenig bekannt und wird kaum gewürdigt, obwohl ihre Relevanz in der Bildung zunimmt.

In der Bildungslandschaft ist eine Akzentverschiebungen von der Erstausbildung hin zur Weiterbildung festzustellen. Obwohl nach wie vor der Erstabschluss die berufliche Identifikation, den Sozialstatus und die berufliche Laufbahn massgeblich determiniert, hat im Zuge des Paradigmas des lebenslangen Lernens die Weiterbildung an Bedeutung gewonnen. Es wäre vermessen, heute schon von einer Ablösung der Grundbildung durch die Weiterbildung zu sprechen. Dennoch beginnen sich die Grenzen zwischen Grundbildung und Weiterbildung aufzulösen. Berufliche Laufbahnen sind heute nebst der beruflichen Erfahrung geprägt bzw. werden erst ermöglicht durch (meist) formale Weiterbildungen.Wer sich nach dem Erstabschluss weder in seinem /ihrer ursprünglichen Fachrichtung spezialisiert und vertieft noch durch eine inter- oder multidisziplinären Erweiterung profiliert, bleibt im Vergleich zu den Kollegen/innen und den jüngeren Absolvierenden zurück und wird bald aufgrund mangelnder Flexibilität und Ambitionen nicht mehr gefördert oder gar als Fachperson mit mangelnden Qualifikationen betrachtet. Diese Dynamik wird durch technologische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen getrieben. Diese Diagnose gilt auch für Lehrpersonen, Dozierende und Erwachsenenbildner/innen.

Veränderte Ansprüche an die Weiterbildung

Diese Tendenzen führen dazu, dass Weiterbildungen neu gedacht werden müssen. Denn Weiterbildungen müssen heute sowohl individueller und persönlicher wie auch standardisierter werden. Sie müssen aktueller und nachhaltiger, lokaler und internationaler, kürzer und umfassender sowie wissenschaftsbasierter und alltagstauglicher sein. Weiterbildungen sind verstärkt in ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem eingebunden und müssen inhaltlich, personell, technologisch und ökonomisch stärker geführt werden. Die Zeiten der Weiterbildner/innen, die als Einzelkämpfer Weiterbildungskurse, -seminare oder -studiengänge durchführen, sind vorbei. Mit den zunehmenden Anforderungen, steigt auch die Arbeitsteilung in der Weiterbildung. So ist in den letzten Jahren der neue „Beruf“ des/ der Studiengangsleiter/in entstanden.

Studiengangsleiter/in – eine Schlüsselperson

Weiterbildungsstudiengänge sind aufgrund ihrer Marktausrichtung, der meist schon hochqualifizierten Teilnehmenden mit ihren Erwartungen und Erfahrungen sowie ihrem Umfang, Dauer und Anforderungen, sehr anspruchsvolle „Produkte“. Sie sind weit mehr als die Summe von einzelnen Vorlesungen, Seminaren, Workshops oder Einzelkursen. Weiterbildungsstudiengänge bedingen eine äusserst anspruchsvolle Führung mit hoch qualifizierten Studiengangsleitenden. Diese führen Weiterbildungsangebote sowohl strategisch wie auch operativ, sowohl personell wie auch finanziell, sowohl inhaltlich wie auch terminlich. Sie stellen sicher, dass die Anforderungen der verschiedenen externen Anspruchsgruppen, d.h. der Teilnehmenden, ihrer Vorgesetzten (z.B. Schulleitungen), des Arbeitgebers (i.d.R. der Kanton) usw. im Einklang mit den internen Anforderungen bezüglich inhaltlicher und formaler Qualität sowie finanzieller Machbarkeit sind.

Höchste Qualifikationsanforderungen

Die sehr dynamischen Entwicklung des Weiterbildungsmarktes für Weiterbildungsstudiengänge (CAS, DAS, MAS) hat es mit sich gebracht, dass auch Studiengangsleitungen ohne die notwendigen Qualifikationen eingesetzt wurden. Entwicklungspotentiale konnten sowohl beim betriebswirtschaftlichen Basiswissen (finanzielle- und personelle Führung, Marketing und Prozessmanagement) wie auch bei der Kundenorientierung und dem Unternehmertum festgestellt werden. Das Angebot an qualifizierten Studiengangsleitenden ist nach wie vor begrenzt, was auch mit den hohen Anforderungen und dem relativ bescheidenen Statusgewinn verbunden ist. Es ist zu hoffen, dass mit der Akzentverschiebung von der Grundbildung hin zur Weiterbildung auch das Ansehen und der Lohn steigen und sich mehr Fachpersonen für den Beruf des/der Studiengangsleitenden interessieren und qualifizieren (z.B. über einen «CAS Leitung von Studiengängen und Projekten an Hochschulen»). Das lebenslange Lernen und damit die gesamte Gesellschaft und die Wirtschaft werden  dann nochmals gewinnen, wenn die Studiengangsleitenden den hohen Anforderungen entsprechend qualifiziert, angesehen und entlohnt werden.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

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