Menschenrechte in der Berufsbildung

An der diesjährigen Fachtagung des Zentrums Menschenrechtsbildung der PH Luzern stand die Menschenrechtsbildung in der Berufsbildung im Fokus. Für die Teilnehmenden waren es die Fragen, ob und wie das Thema der Menschenrechte in der Berufsbildung diskutiert und umgesetzt wird und wie die Menschenrechtsbildung in der Berufsbildung einen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Erneuerung der Menschenrechte leisten kann?

Die berufliche Grundbildung trägt wesentlich zur Integration der Jugendlichen ins Erwachsenen- und Erwerbsleben bei. Sie prägt die berufliche Sozialisation, die über die reine Fachlichkeit hinausgeht und in einem gesellschaftlichen Kontext stattfindet. Dabei gehören Aspekte wie beispielsweise Toleranz, Respekt vor andern Kulturen, Religionen, Geschlechtern usw. gegenüber Kunden, Lieferanten, Kolleginnen und Kollegen zu den zentralen Themen. An der Fachtagung der PH Luzern und dem Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) haben Menschenrechtsexperten/innen, Berufsbildungsverantwortliche und Dozierende der Ausbildung von Berufsbildungsverantwortlichen über die Pflichten, Chancen und Möglichkeiten der Menschenrechtsbildung in der Berufsbildung diskutiert.

In der Begrüssung weist der Rektor der PH Luzern Prof. Dr. Hans-Rudolf Schärer auf Kräfte hin, die das Völkerrecht und die Menschenrechte zurzeit bedrohen. Die Verpflichtung auf das Recht auf Bildung sowie auf das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie der Schutz vor Arbeitslosigkeit stellen einen epochalen Fortschritt der Menschheit dar, dem Sorge getragen werden müsse. Dabei könne die Berufsbildung eine wichtige Funktion übernehmen. In einer umfassenden Einführung in die Menschenrechte und Menschenrechtsbildung hat anschliessend Prof. Dr. Beate Rudolf, Leiterin Deutsches Institut für Menschenrechte, die Menschenrechte und Menschenrechtsbildung sehr anschaulich mit der Berufsbildung verknüpft.

Menschenrechte gehören in die Berufsbildung

Erstens gäbe es, so Frau Rudolf, eine menschenrechtliche Verpflichtung der Berufsbildung, Menschenrechtsbildung zu betreiben, da sie einerseits zur Verwirklichung der Menschenrechte beiträgt und anderseits eine wichtige Gateway-Funktion übernehme, um den Zugang zu andern Rechten zu schaffen. Zweitens haben viele Berufe ein menschenrechtliches Fundament, und zwar nicht nur die sogenannten Menschenrechts-Professionen wie beispielsweise die Pflege- oder die Erziehungs- und Bildungsberufe sondern auch viele Berufe mit einem Bezug zu den Menschenrechten (z.B. Produktdesigner, Planerinnen oder Architektinnen). Drittens sei die Menschenrechtsbildung auch eine Erfolgsbedingung der Berufsbildung. Die Berufsbildung könne nur erfolgreich sein, wenn sie mit Diversität umgehen, Stereotypisierungen vermeiden und ein offenes und wertschätzendes Lehren und Lernen fördere. Schliesslich müsse in der Berufsbildung über, durch und für die Menschenrechte gelehrt und gelernt werden. Menschenrechte müssten täglich gelebt und immer wieder bestätigt und erneuert werden. Das sei eine Aufgabe, die auch eine institutionelle Verankerung in den Lehrplänen der Berufsbildung bedinge. Dass Fragen der Menschenrechtsbildung bei der Entstehung des Berufsbildungsgesetzes hinter den Fragen der wirtschaftlichen Notwendigkeit und Machbarkeit zurückgeblieben seien, hat die „Spurensuche“ von Bruno Weber-Gobet von Travail.Suisse deutlich gezeigt.

Kaum institutionelle Verankerung

Obwohl der Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht (ABU) in der beruflichen Grundbildung anregt, die Menschenrechte als ethische und rechtliche Blickwinkel einfliessen zu lassen, fand Daniel Schmuki des EHB in seiner Analysen von ABU-Lehrplänen nur vereinzelt konkrete Bezüge zu den Menschenrechten. Daniel Schmuki sieht vor allem bei den Bildungszielen Persönlichkeitsentwicklung und Weitverstehen/Weltdeutung Möglichkeiten, die Menschenrechtsbildung einzubinden. Anhand von drei Beispielen hat Daniel Schmuki eindrücklich gezeigt, wie Menschenrechtsbildung im ABU umgesetzt werden kann. Dabei hat er im ersten Beispiel den Nützlichkeitsaspekt in den Vordergrund gestellt (ungerechte Behandlung in der Schule/im Betrieb). Im zweiten Beispiel steht der diachrone Aspekt der Kulturentwicklung (historischer Vergleich von Lehrverträgen) und im dritten Beispiel der Blick über nationalen und kulturellen Grenzen im Fokus. Daniel Schmuki warnt eindringlich vor der Gefahr der „Betroffenheitsdidaktik“, die den Lernenden den moralischen Zeigefinger vor die Nase hält.

Berufsbildung kann einen Beitrag leisten

Die Schlussdiskussion hat deutlich gezeigt, dass es in der Berufsbildung einerseits eine gesellschaftliche Verantwortung der Menschenrechtsbildung gibt und es anderseits Möglichkeiten gibt, Bildung über, durch und für Menschenrechte in der Berufsbildung zu betreiben. Hierfür müssen die (angehenden) Lehrpersonen in ihrer Aus- und Weiterbildung mit dem Thema der Menschenrechte und Menschenrechtsbildung konfrontiert und ihnen gezeigt werden, dass die Menschenrechte auch ein hilfreiches Instrument beispielsweise in der Klassenführung sein kann. Die erste Fachtagung Menschenrechte in der Berufsbildung konnte dank dem hohen Engagement des Zentrums Menschenrechtsbildung der PH Luzern und dem Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) einen wichtigen ersten Beitrag zur Stärkung Menschenrechtsbildung in der Berufsbildung und letztlich zur Förderung der Menschenrechte leisten.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

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