Weiterbildungen auf Hochschulstufe – Ein Interview mit Jürg Arpagaus

Die Hochschulen in der Schweiz bieten Weiterbildungen im Rahmen von Zertifikats-, Diplom- und Masterstudiengängen (CAS, DAS, MAS) an. Dabei unterscheiden sich die Weiterbildungsstudiengänge nicht nur in ihrem Umfang, sondern auch in ihren Zulassungen, Zielgruppen, Inhalten usw. Seit ein paar Jahren ist eine hochschulspezifische Profilierung festzustellen. Zunehmend hat jede Hochschule ihre spezifischen Felder, in welchen sie Weiterbildungsstudiengänge anbietet. Im folgenden Interview mit dem Verantwortlichen der Weiterbildung an der PH Luzern Prof. Dr. Jürg Arpagaus wird ein Blick in die Weiterbildungsangebote der Pädagogischen Hochschulen geworfen.

Was ist typisch bei Ihren Weiterbildungsangeboten als Pädagogische Hochschule?

Die Weiterbildungsangebote der PH Luzern (CAS, DAS, MAS, Kurse, Vortragsreihen, Seminare, Weiterbildungskongresse usw.) richten sich an Bildungsfachleute, die sich nach ihrem grundständigen Hochschulabschluss in spezifischen Themen ihrer Studienrichtung vertiefen, ihre Kompetenzen inter- oder transdisziplinär erweitern oder in einem fachfremden Bereich aufbauen wollen.Der Grossteil unserer Angebote ist auf Lehrpersonen der Volksschulen, der Gymnasien, der Berufsfach- und Berufsmittelschulen sowie auf Führungspersonen von Schulen und schulergänzenden Tagesstrukturen, Erwachsenenbildner/innen, Trainer, Mentoren und Coaches ausgerichtet. Zunehmend bieten wir Weiterbildungen im Bereich der Erwachsenenbildung für Unternehmen an.

Wie hat sich die Weiterbildungslandschaft (CAS/DAS/MAS) an Ihrer Hochschule in den letzten Jahren entwickelt?

Die Weiterbildungslandschaft für Bildungsfachleute und Bildungsinstitutionen hat sich in den letzten Jahren ausdifferenziert. Das heisst, die Angebote haben sich in ihren Themen und ihrer Form stärker an spezifische Bedürfnisse ausgerichtet. Auch die Bedeutung des formalen Abschlusses (CAS, DAS, MAS) auf dem Arbeitsmarkt hat zugenommen. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die PH Luzern heute über 20 Weiterbildungsstudiengänge anbietet. Die relativ grossen Formate CAS/DAS/MAS haben auch neue Nischen geöffnet. So finden aktuelle Themen, beispielsweise der Umgang mit Flüchtlingen in der Bildung, über alternative Weiterbildungsformate wie z.B. Vortragsreihen schnell den Weg zu den Lehrpersonen und Bildungsfachleuten.

Welche Angebote boomen momentan?

Weiterbildungen im Bildungsbereich kennen aufgrund der Langfristigkeit des Geschäfts eigentliche keine Booms. Grosse Nachfrage haben wir an der PH Luzern aktuell bei den Führungsweiterbildungen für Lehrpersonen (z.B. Teamleitung, Fachbereichsleitung, Schulleitung, Schulmanagement). In den Bereichen der Kompetenzorientierung, der Einführung des Lehrplans 21 oder der Integrativen Förderung (IF) führen wir aktuell viele Weiterbildungen durch. Aber auch nach Weiterbildungen zum bilingualen (Fach-)Unterricht, den Fachdidaktiken sowie dem Umgang mit neuen Medien im Unterricht scheint es einen grossen Bedarf zu geben.

Welche Trends sehen Sie? Wie sehen die Boom-Weiterbildungen der Zukunft aus?

Die Entwicklung in der Weiterbildung für Bildungsfachleute läuft entlang der „Professionalisierung und Spezialisierung“. Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung mit neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit Good Practices, mit neuen Technologien und Innovationen sowie mit dem Bildungssystem und seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext. Bildungsfachleute werden sich vor diesem Hintergrund zunehmend in spezifischen Themen spezialisieren müssen. Die Antwort der Bildungsanbieter auf diesen Trend wird eine weitere Ausdifferenzierung der Angebote sein, die aber nur in Kooperation und mit neuen Technologien kostendeckend angeboten werden können.

Welche Herausforderungen sehen Sie als Bildungsanbieter von Weiterbildungen auf Hochschulstufe?

Die Anforderungen an die Bildungsanbieter steigen stetig. Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse müssen in immer kürzerer Zeit den Weg in geeigneter Form in die Weiterbildung finden. Die Methodik und Didaktik muss sowohl geplant wie auch ad hoc an die Weiterbildung und die zunehmend heterogenen Gruppen angepasst werden. Die neuen Technologien müssen organisch als integraler Teil des Weiterbildungsangebotes adäquat genutzt werden. Es muss auf die zunehmenden Anforderungen jedes einzelnen Teilnehmers, jeder einzelnen Teilnehmerin eingegangen werden. Dem Kostendruck muss mit Innovationen begegnet werden, um weiterhin effektive und nachhaltige Weiterbildungen anbieten zu können. Daraus ergibt sich die grosse Herausforderung, ausreichend hoch qualifiziertes und professionelles Personal für die Entwicklung und Durchführung von Weiterbildungen verfügbar zu haben, um exzellente Weiterbildungen anbieten zu können.

Inwiefern richten Sie Ihr Weiterbildungsangebot auf die Bedürfnisse der Wirtschaft/ des Arbeitsmarktes aus?

Weiterbildungsangebote müssen bei der PH Luzern einen Gewinn erwirtschaften, um Innovationen und Neuentwicklungen zu finanzieren. Dies ist nur möglich, wenn die Angebote den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes entsprechen. Mit der zunehmenden (beruflichen) Mobilität der Lehrpersonen und der grösseren Durchlässigkeit von Arbeitsmarktsegmenten, werden Anforderungen aus der Privatwirtschaft wichtiger bei der Gestaltung des Angebotsportfolios der PH Luzern. Wir stellen auch fest, dass die „Vermittlungskompetenz“ in Unternehmen zunehmend nachgefragt wird. Die Change-Prozesse in Unternehmen sind im Wesentlichen Lernprozesse auf der Ebene der Organisation und der Mitarbeitenden. Hier versucht die PH Luzern mit der Erwachsenenbildung einen Beitrag zu leisten.

Wie beurteilen Sie den Bedarf Ihrer Bildungsangebote bei Ihren Zielgruppen? Wie gross ist die Nachfrage? Gibt es auch Angebotslücken?

Unsere Hauptzielgruppen sind Lehrpersonen und andere Bildungsfachleute, die in der Regel eine hohe Affinität zu Weiterbildung haben und sich entsprechend laufend weiterbilden. Lehrpersonen haben zudem die gesetzliche Pflicht – und das Recht – sich laufend weiterzubilden. Daher bleibt bei den Lehrpersonen die Nachfrage auf relativ hohem Niveau ziemlich stabil. In den Bereichen Schulmanagement sowie der Berufs- und Erwachsenenbildung besteht hingegen zunehmend ein Bedarf an Themen, die der Professionsentwicklung dienen. Hinzu kommt, dass erstens der Umfang an wissenschaftlichen Erkenntnissen im „Bildungsbereich“ zunimmt und zweitens sich die Zeit zwischen der Publikation von Forschungsergebnissen bis in die Umsetzung in der Praxis verkürzt. Weiterbildungsangebote, die diesen Transfer von der Wissenschaft in die Praxis begünstigen, versuchen keine Angebotslücken entstehen zu lassen. Aktuell besteht im Volksschulbereich ein grosser Bedarf an Weiterbildungen, die im Zusammenhang mit der Einführung des Lehrplans 21 stehen.

Worauf sollen Interessierte bei Ihren Angeboten achten? Haben Sie einige Tipps und wichtige Informationen für Interessierte?

Unsere Weiterbildungsangebote orientieren sich an verschiedenen Merkmalen (vgl. Produktprofil), die sich auf die Teilnehmenden auswirken. So sollten sich die Teilnehmenden bewusst sein, dass ihr Know-how und ihre Erfahrung ein Bestandteil dessen ist, was sie in die Weiterbildung einbringen müssen. Unsere Weiterbildungen können nicht einfach konsumiert werden und vom Edutainment nehmen wir in der Regel auch Abstand. Teilnehmende werden involviert und müssen bereit sein, sich aktiv in die Weiterbildung einzubringen. Zudem müssen sich die Teilnehmenden bei uns immer auch mit dem Transfer in die eigene Praxis auseinandersetzen.

Welche Aufnahmebedingungen haben Sie für Ihre CAS/DAS/MAS-Studiengänge? Gibt es bei Ihnen auch Angebote für Personen ohne Hochschulabschluss (Sur Dossier)?

Viele unserer Weiterbildungsstudiengänge richten sich an Personen mit einem Lehrdiplom (Kindergarten, Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II (Berufsbildung, Maturitätsschulen). Die Ausbildung zum/zur Schulleiter/in ist funktionsbegleitend. D.h. die Teilnehmenden müssen beim Antritt (oder dazwischen) in der Funktion einer/eines Schulleiters tätig sein. Generell gilt ein Bachelor als Zugangsbedingung. Es gibt die Möglichkeit von sur dossier Aufnahmen. An der PH Luzern gibt es ein Angebot, und zwar den CAS Leiten von Tagesstrukturen, der sich an die Personen ohne Lehrdiplom bzw. Bachelorabschluss richtet. Mit diesem Angebot unterstützt die PH Luzern die Möglichkeit von (typischerweise) Frauen, sich in den Führungsbereich hinein zu entwickeln.

Ermöglicht eine Weiterbildung (CAS/DAS/MAS) an Ihrer Hochschule einen Quereinstieg in ein anderes Berufsfeld? In welchen Gebieten ist dies eher möglich/nicht möglich?

Die Ausbildung zur Schulleiterin / zum Schulleiter erfolgt heute ausschliesslich über Weiterbildungsstudiengänge. Die PH Luzern bietet als erste PH ein Weiterbildungsstudiengang für Führungskräfte ohne Lehrdiplom eine Ausbildung zum/zur Schulleiter/in (CAS FESL) an. Ebenso können Lehrpersonen über die Weiterbildungsstudiengänge (CAS Kooperative SchulführungDAS Schulleiter/inMAS Schulmanagement) in den Beruf des/der Schulleiters wechseln.

Die PH Luzern bietet zusammen mit der aeB Schweiz einen MAS Adult and Professional Education an, der für den Beruf des/der Erwachsenenbildner/in qualifiziert. Über die Zusatzausbildung Berufspädagogik können Gymnasiallehrpersonen die Lehrbefähigung in ihrem Fachgebiet für die Berufsfach-/ Berufsmaturitätsschule erlangen und so ein weiteres Berufsfeld erschliessen.

Welchen Nutzen ziehen Studierende aus Ihrer Sicht aus einem Weiterbildungs-CAS/DAS/MAS für ihre Berufslaufbahn?

Wenn vom Nutzen von Weiterbildungsstudiengängen gesprochen wird, dann wird der Fokus oft auf die monetären Auswirkungen gelegt. Der eigentliche Hauptnutzen ist jedoch der Erwerb oder die Erweiterung von Kompetenzen. Die mit der Weiterbildung verbundene Qualifizierung erlaubt es, die tägliche Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten oder in einen neuen Aufgabenbereich einzusteigen.

Der Abschluss eines Weiterbildungsstudiengangs (CAS/DAS/MAS) ist aber auch ein Signal für (künftige) Arbeitgeber. Es ist erstens ein Signal dafür, dass sich die Person für diesen Aufgabenbereich auch ausserhalb der Arbeit engagiert (Motivation). Zweitens ist es ein Signal, in diesem spezifischen Thema „auf dem Laufenden zu sein“. Drittens wird ein aktueller Weiterbildungsabschluss auch dahingehend gelesen, dass die Person lernfähig und lernwillig ist. Schliesslich signalisieren die Abschlüsse, dass die Person in einem spezifischen Themenbereich fachlich vernetzt ist.

Was empfehlen Sie Interessierten, um Ihre Arbeitsmarktchancen nach der Weiterbildung zu erforschen?

Heute sprechen wie vom lebenslangen Lernen. Formale oder informelle Weiterbildungen begleitet heute jede Erwerbstätigkeit. Die Vorstellung, dass ich heute eine Weiterbildung abschliesse und morgen meine Arbeitsmarktchancen erhöht sind, gilt kaum mehr. Wer heute über fünf oder mehr Jahre keine formale Weiterbildung ausweisen kann, reduziert hingegen seine/ihre Arbeitsmarktchancen.

Ich empfehle allen Personen auf dem Arbeitsmarkt, diesen laufend zu beobachten und sobald sich in der Arbeitsnachfrage ein Trend abzeichnet (z.B. vermehrte Nachfrage nach interkulturellen Kompetenzen, ICT-Kompetenzen, Verhandlungskompetenzen, fachdidaktische Kompetenzen usw.) mit einer Weiterbildung auf diesen Trend zu reagieren. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass first mover – Personen, die als erste in ein neues Arbeitsmarktsegment gehen – auf dem Arbeitsmarkt eine Prämie abschöpfen können und bessere Karrierechancen haben.

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