Ästhetische Werkstatt-Expedition 2 „Rollenkids“

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„Vom individuellen Gestalten zum theatralen Gemeinschaftswerk“

eine Forschungswerkstatt mit einer 4. Primarklasse aus Luzern

Ein erster Einblick…

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Erste Erkenntnisse zu …

«Geschichteninseln»

ich weiss um die «Geschichten in mir»

«Leerspielen»

ich spiele mich frei von fremden Bildern

Theatrale «Zeichen» einsetzen

ein  Rubin ist kein Rubin ist ein Rubin

Vertiefung durch «Gestalten»

wenn ich gestalte, bin ich

                                                                    

 …werden diskutiert und beschrieben…

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Kompetenzorientierung in der Theaterpädagogik; vom gestaltenden Individuum zum theatralen Gemeinschaftswerk.

Kompetenzorientierung per se.

Ein leerer Raum. Papierrollen. Klebebandrollen. Und Kinder, die es kaum erwarten können, loszulegen, zu gestalten, zu falten, zu kleben, zu rollen, zu entrollen und entfalten, zu zerreissen und auszulegen, zu experimentieren und fokussieren, zu entwickeln und zerstückeln, glattzustreichen und …

Es wachsen Bäume und es wandeln Gespenster, es posieren Bräute und stumm beobachtet die still entstandene Büste aus dem Augenwinkel das sanfte Kanonenkugelblasen der nahen Burg. Astronauten landen nahe dem Thron der Königin. Ob sie die Schatzkarte finden? Der Schneider ist bereit für seinen Einsatz. Und fortwährend werden neue Rollen entwickelt. Besuch aus der Steinzeit kündigt sich an, da müssen unbedingt neue Schuhe her. Und der Teppich, ist er schon ausgerollt?

Ob mit oder ohne Textvorlage – theaterpädagogisches Arbeiten ist längst aus den Kinderschuhen der „stofforientierten Unterrichtskultur“, in welcher Theater spielen noch „Texte auswendig lernen und aufsagen“ bedeutete – gewachsen. Das Zentrum Theaterpädagogik versteht theaterpädagogisches Arbeiten als Teil der ästhetischen Bildung im Sinne gestalterischer und künstlerischer Vermittlungs- und Unterrichtstätigkeit. Basierend auf einer ressourcenorientierten Grundhaltung werden dabei fachliche und überfachliche Kompetenzen im künstlerischen Schaffen erworben und weiterentwickelt.

Im Rahmen eines kunstpädagogischen Projektes steht die spartenübergreifende Theaterarbeit mit künstlerischer Ausrichtung im Zentrum. Als Beispiel dafür wird die „Theaterwerkstatt“ in diesem Artikel noch genauer vorgestellt. Weitere nennenswerte Ausrichtungen für den konkreten Praxisalltag ist beispielsweise das „ästhetischen Forschen“ als didaktisches Unterrichtsmodell, das in allen Fächern anwendbar ist. Hier steht der forschende Umgang mit einer Fragestellung im Zentrum. Dafür wird – basierend auf Alltagserfahrungen, Kunst, Wissenschaft und ästhetischen Umsetzungsversuchen – ein Forschungsfeld ermöglicht (vgl. www.kultur-forscher.de). Eine weitere Anwendung theaterpädagogischen Arbeitens im Unterricht bietet der Einsatz handlungsorientierter Methoden wie zum Beispiel Rollenspiele, Konzentrationsspiele etc..

Allen Ausrichtungen zu Grunde liegt der ursprünglich auf der Spielpädagogik basierende Ansatz des Lernens, welcher wiederum Grundlage für ein kompetenzorientiertes Lernumfeld schafft. Ergänzend ermöglicht die sparteneigene Form der Präsentation in direkter Weise eine Performanz-Situation, durch welche die erlangten Kompetenzen unmittelbar angewendet werden.

Doch zurück zum konkreten Praxisbeispiel, den „Rollenkids“(siehe Kasten). Eine authentische, herausfordernde Anforderungssituation steht am Anfang. Sie wird bewusst so gestaltet, dass durch einen persönlichen Freiraum, durch die freie Mitbestimmung des Gestaltungsweges und eine inhaltliche Reibungsfläche eine Motivation angeregt wird und es die Kinder dazu aufzufordern vermag, innerhalb eines „strukturierten Chaos“ konstruktiv tätig zu sein. Ausprobieren und entdecken, forschen und erfinden, das steht im Zentrum. Es gelingt. Denn schon nach kürzester Zeit sind die Kinder vertieft in konkretem Handeln, haben Entscheidungen gefällt, sind eigenständig aktiv. Sie verfolgen eine Idee, experimentieren, verwerfen, probieren, konstruieren, improvisieren. Mit grosser Ausdauer sind sie dem – vorerst – Eigenen auf der Spur.

 

 

Doch woher kommt diese Intensität? Was führt zu dieser Vertiefung, welche sich zeigt durch ein langanhaltendes Tätigsein der Kinder, durch die ausgeglichene Art des Arbeitens, durch eine hohe Konzentration auf das eigene Tun, durch die Vielfalt und Eigenständigkeit der Experimente? Ich nenne diese Atmosphäre eine kreative Konzentration, persönliche Vertiefung, eine gefundene Verbindung zwischen sich und der Welt, zwischen innen und aussen, zwischen Wissen und Können. Weiter vermute ich darin auch Vertrautheit Damit meine ich jenes „Vertraut sein“ mit verschiedenen Tätigkeiten, welche die individuelle Lernbiografie durch Spielen, durch Erproben, durch Konstruieren als einen vertrauten Weg des „Weltaneignens“ prägten, konnotiert mit positiven Emotionen und Erfahrungen, welche den persönlichen Wirkungsradius zu vergrössern verhalfen, welche stärkten und eine Kompetenzerweiterung in verschiedenster Hinsicht ermöglichten.

 

So heterogen wie sich die Gruppe zusammensetzt, so heterogen sind auch die Gestaltungsansätze, die Herangehensweisen, die Vorstellungen, die Ausdruckskraft. Was sich bei allen Kindern der Gruppe zeigt: Zufriedenheit. Individuelle Arbeitsrhythmen mit Ausdauer. Sicherheit. Vertiefung. Und durch diese Zufriedenheit und Sicherheit im Umgang mit dem „Eigenen“ eine neue Bereitschaft der Zusammenarbeit. Und eine Fülle von Gestaltungsideen, die – basierend auf einem kunstspartenübergreifenden Verständnis – Ideen aus der Musik, der Bewegung, dem bildnerischen und technischen Gestalten, der Sprache sowie dem Spiel gleichwertig berücksichtigt. Diese Vielfalt von Ideen und Zugängen lassen sich nun von den Spielenden und der Spielleitung in einem konstruktiven und kreativen Prozess zu einem Gemeinschaftswerk verbinden. Theater als soziale Kunstform verfolgt im Laufe des Prozesses den transparenten Wechsel vom „Eigenen“ zum „Gemeinsamen“; eine Zielformulierung, welche mit der Entscheidung, eine Theaterarbeit umzusetzen, bereits definiert ist. Dieser Pfad wäre ohne Anwendung und Weiterentwicklung überfachlicher Kompetenzen gar nicht möglich. Zusammenarbeit, Kooperationsfähigkeit, Kommunikation, Konfliktlösung, Flexibilität, Reflexionsfähigkeit sind nur einige Begriffe, welche in einer theatralen Arbeit im Zentrum stehen und auch von der Spielleitung umfangreich eingefordert werden.

 

Der Weg zum theatralen Gemeinschaftswerk ist aber auch auf fachlicher Ebene ein aufbauender Prozess, der immer wieder neue Gestaltungsangebote der Spielenden aufnimmt, neue Anforderungssituationen stellt, das „Geschaffene“ gemeinsam reflektiert, analysiert, und mit verschiedenen Methoden des Anreicherns und Ergänzens, des Übens und Wiederholens, schliesslich zu dem Punkt gelangt, an welchem das Gesuchte und Gefundene unter dramaturgischen Gesetzmässigkeiten eine Anwendung findet in einem Werk, das hauptsächlich in Ko-Konstruktion entstanden ist und synergetisch fachliche und überfachliche Kompetenzen verbindet. Per se.

 

TheaterwerkstattVom gestaltenden Individuum zum theatralen GemeinschaftswerkTheaterpädagogische Arbeit in heterogenen Klassen.

Nach „Kistenkids“ (2012/13) ist „Rollenkids“ das aktuelle Forschungsprojekt „Theaterwerkstatt 2“ des ZTP, welches in Zusammenarbeit mit dem Forschungslabor der Künste an Schulen (FLAKS) der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) durchgeführt wird.

Jährlich kann eine Schulklasse im Rahmen der Schultheatertage an diesem Forschungsprojekt teilnehmen.

 

Hintergrund: Die Heterogenität in Schulklassen nimmt zu. Die Anzahl Lehrpersonen, welche durch Herausforderung durch die Vielfalt im Klassenzimmer auf ein Theaterprojekt verzichten, steigt. Reagiert darauf wird oftmals zu Gunsten der Tragbarkeit von Verhalten und Konzentrationsfähigkeit mit fokussiertem Arbeiten am Pult. Gestaltungsräume, Spielräume, Freiräume und Bewegungsräume treten als anregende Unterrichtssettings in den Hintergrund. Projektprozesse im Sinne ästhetischer Bildung und damit verbundener Ergebnisoffenheit gelten als „Nice to have“. Verständlicherweise. Die Vielfalt von Kindern, deren Verhalten und Bedürfnisse, die schulischen Herausforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen und und und … verunmöglichen auf den ersten Blick offensichtlich, überhaupt noch Ressourcen und eine plausible Legitimation für innovative Projekte zu finden; für Inhalte, welche nicht explizit zu leistungsbewerteten Fächern gehören; für ästhetische Bildung. Dies erfordert Neuorientierung. Neue Wege. Neue Methoden. Zum Beispiel mit kreativen und gestalterischen, kunstspartenübergreifenden Theaterprojekten!

Der Weg vom gestaltenden Individuum zum theatralen Gemeinschaftswerk ist ein Weg, auf welchem jedes Kind durch kunstspartenübergreifende Arbeitsweisen seine Ressourcen erfahren, erweitern und im Dienste der Gemeinschaft als Teil eines gemeinsamen Ganzen einsetzen kann. Heterogenität und Integration – Hand in Hand. Im Zentrum steht das Schaffen von Gestaltungs- und Spielräumen, welche auf Grund von Beobachtungen der Ressourcen ausgewählt werden. Dadurch können künstlerisch-kreative und kommunikative Kräfte geweckt, gestärkt, erfahren werden. Individualität und Kollektiv – Hand in Hand.

Darüber hinaus werden durch teambasierende Feldforschung die Entwicklungsprozesse der Kinder (in fachlichen sowie überfachlichen Kompetenzen) sowie die Anwendung und Wirkung verschiedener künstlerischer Methoden beforscht. Ziel dieser Theaterwerkstatt ist es, Theater als Teil ästhetischer Bildung verständlich und als   Grundlage kompetenzorientierten Unterrichtens begründbar zu machen. Ein daraus abgeleitetes neues Format soll schliesslich Modellcharakter für die praktische Umsetzung ästhetischer Bildung haben und deren Bildungswert stärken.

 

 

Bilder: Claudia Conte

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