Von Beruf Schulleiter/in – oder Lehrperson mit Zusatzausbildung?

Schulleiterinnen und Schulleiter mit Personalverantwortung verstehen sich als Fachleute für das Management, die Führung und Steuerung von Schulen. Für sie ist das Leiten einer Schule zum Beruf geworden. Die Schulleitungsausbildungen hinken dieser Realität noch hinterher.

Wenn eine Schule leiten zum Beruf geworden ist, dann stellt sich die Frage nach der Berufsausbildung von Schulleiterinnen und Schulleitern: Wie ist die Berufsausbildung aufgebaut und wie lange dauert diese? Wie sind Zulassungsbedingungen geregelt? Wer verleiht das Berufsdiplom? Wer in einem BIZ (Bildungsinformationszentrum) auf solche Fragen nach Antworten sucht, wird enttäuscht. Es gibt für angehende Schulleitende keine Berufsausbildung im engeren Sinn; es gibt keine konsekutive Studien- bzw. Ausbildungsgänge an Hochschulen oder in der höheren Berufsbildung, wie es diese für andere Branchen gibt. Zwar gibt es Weiterbildungsstudiengänge für Schulleitungspersonen. Unter formalen Gesichtspunkten betrachtet verstehen sich diese aber als eine Zusatzausbildung. Es sind Ausbildungen für Lehrpersonen, die sich Zusatzqualifikationen erwerben wollen. Diese formale Einordnung der Qualifizierungsangebote entspricht keineswegs dem beruflichen Selbstverständnis von Schulleiterinnen und Schulleitern, zumindest nicht dem Verständnis derjenigen, die in einer Organisation mit mehreren Führungsebenen an der Spitze sind: Sie sind von Beruf Schulleiterin bzw. Schulleiter

Die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) war im Jahr 2001 erstmals bestrebt, die Qualität von Schulleitungsausbildungen zu sichern, indem sie Richtlinien zur Akkreditierung von Ausbildungsinstitutionen erliess. Acht Jahre später verabschiedete die EDK das „Profil für Zusatzausbildungen Schulleitung“ (29. Oktober 2009); dieses setzt den Qualitätsrahmen zur Anerkennung von Studiengängen (nicht von Institutionen!). Es legt unter anderem die Zulassungsbedingungen fest und beinhaltet einen differenzierten und umfassenden Ziel- und Inhaltskatalog. Das Profil stiess in der Vernehmlassung bei den Kantonen mehrheitlich auf eine positive Resonanz. Einziger Streitpunkt: die Ausbildungsdauer. Die EDK entschied sich dafür, dass die Ausbildung nur 210 Präsenzstunden erfordern müsse. Mit Selbststudienanteilen, Leistungsnachweisen und Abschlussarbeit entspricht die Ausbildung nach EDK-Profil einem Certificate of Advanced Studies (CAS) zu 15 Kreditpunkten nach ECTS. Wer Vergleiche mit anderen Ausbildungsgängen anstellt, kommt rasch zum Schluss, dass eine Zusatzausbildung im Rahmen des EDK-Profils den Ansprüchen einer Schulleitungsausbildung nicht gerecht werden kann. Als Beispiel dazu zwei Vergleiche:
Vergleich 1
CAS Diversity- und Gleichstellungskompetenz oder CAS Migrationssensibles Handeln
Diese beiden Weiterbildungsstudiengänge entsprechen dem Umfang einer Schulleitungsausbildung nach EDK-Profil. Glücklicherweise gibt es diese Studiengänge; die Themen sind hochrelevant. Prof. Dr. Stephan Huber, Leiter des IBB der PH Zug, hat für die Schulleitenden die Metapher des multifunktionalen Wunderwesens geprägt. In der Tat: Schulleiterinnen und Schulleiter sind 10-Kämpfer; es sind Generalistinnen. Als solche müssen sie aber auch ausgebildet werden. Dies ist im Rahmen von 210 Präsenzstunden nicht ernsthaft möglich.
Vergleich 2
Führung von Hotels
Der Beruf des Schulleiters/der Schulleiterin gleicht ohne Zweifel ausgesprochen der Führung eines Hotels. Schulleitende sind Gastgeberinnen bzw. Gastgeber. Im Team und im Zusammenspiel von Spezialistinnen und Spezialisten werden hochwertige Angebote bereitgestellt. Die Lernenden nutzen die Angebote auf ihre Art. Das Verhältnis von Angebot und Nutzung muss stimmig sein. Oder in der Metapher des Hotelmanagements: Das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen. Aus- und Weiterbildungen mit dem Ziel „Hotelmanagement“ dauern mindestens zwei Semester: ein erstes Semester dient häufig der theoretischen, ein zweites Semester der praktischen Ausbildung. Die Ausbildungsgänge zur Führung eines Hotels stellen für die Ausbildung von Schulleitenden durchaus interessante Modelle dar.
Mindestanspruch wurde zur Norm – bedauerlicherweise!
Die EDK betonte immer wieder, dass der definierte Ausbildungsumfang als Mindestanspruch zu verstehen sei. Die Ausbildungsinstitutionen seien frei, umfassendere Ausbildungen anzubieten. Was geschah nun? Alle Anbieter von Schulleitungsausbildungen richteten fast ausnahmslos ihre Angebote an den Minimalstandards der EDK aus. Studiengänge im Umfang eines Certificate of Advanced Studies (CAS) zu 15 bis 18 Kreditpunkten nach ECTS wurden zur Norm, obschon die Verantwortlichen für Schulleitungsausbildungen an den Pädagogischen Hochschulen der D-CH grossmehrheitlich der Auffassung waren, dass es innerhalb des von der EDK vorgegebenen Zeitbudgets nicht möglich sei, die Ziele und Inhalte des Profils seriös einzulösen.
Neu: Diplomstudiengang für Schulleiterinnen und Schulleiter
Die PH Luzern, die in Kooperation mit dem IBB der PH Zug und der aeB Schweiz
eine Schulleitungsausbildung anbietet, hat nun aus der Not eine Tugend gemacht: Um dem anspruchsvollen Profil der EDK besser entsprechen zu können, hat sie den CAS Schulmanagement, also ihre bisherige Basisausbildung, zu einem Diploma of Advanced Studies (DAS) mit 900 Lernstunden (d.h. 30 ECTS Punkte) aufgewertet. Dadurch gewinnt die Ausbildung ohne Zweifel an Qualität.
Das Problem der (fehlenden) Berufsausbildung für Schulleitende ist damit selbstverständlich nicht gelöst. Dass Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich einer eigenen Berufsgruppe zugehörig fühlen und entsprechend ausgebildet werden möchten, zeigt die grosse Nachfrage, die der MAS Schulmanagement der PH Luzern bisher erfahren hat. In den vergangenen fünf Jahren haben um die 120 Personen sich im Rahmen dieses Studiengangs weiterqualifiziert. Der MAS Schulmanagement ist zwar ein Weiterbildungsstudiengang (für Lehrpersonen!); er kommt jedoch einer Berufsausbildung sehr nahe. Es wäre für die Profession „Schulleitung“ viel gewonnen, wenn der Minimalstandard für eine Schulleitung ein Master of Advanced Studies in Schulmanagement wäre.

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