Prüfungen im Alter

Erwachsenenbildner/innen sind immer wieder auch mit der Frage des „Lernens auf Prüfungen“ konfrontiert. Sie wissen, dass sich viele Erwachsene ab dem mittleren Lebensalter schwer mit Prüfungen tun. Die PH Luzern mit der Abteilung Erwachsenenbildung kennt das Problem und hat Antworten und Strategien dazu.

Radio SRF 1 fragte mich an, ob ich in den Sendungen „Treffpunkt“ und „Ratgeber“ als Experte mitwirken würde. Als Thema seien „Prüfungen im Alter“ vorgesehen. Was mit „Alter“ gemeint sei? Ab etwa vierzig, sagte die Organisatorin am Telefon. Der Redaktor meinte: ab ca. fünfzig. Die beiden rechneten jeweils rund 10 Jahre zu ihrem eigenen Alter dazu. Nun, Alter ist relativ. Als zentrale Frage kristallisierte sich heraus: Wie können Erwachsene in Aus- und Weiterbildungen Prüfungen erfolgreich bestehen, wenn sie im Erwerbsleben stehen und den Schulkontext schon seit einiger Zeit hinter sich gelassen haben? In den beiden Sendungen wurden die Lernfähigkeiten Erwachsener und Tipps für die Prüfungsvorbereitungen thematisiert.

Die Lernfähigkeiten Erwachsener verändern sich

Nach einigen Jahren Berufspraxis oder Familienleben sind Erwachsene Prüfungen in Aus- und Weiterbildungen meist nicht mehr gewohnt. Das kann verunsichern. Man weiss nicht mehr, wie es um die eigene Lern- und Leistungsfähigkeit in Bezug auf Prüfungen bestellt ist. Das kann eine Bootsprüfung, eine höhere Fachprüfung oder ein Leistungsnachweis in einer Weiterbildung sein. Die Frage kann auch dann auftauchen, wenn die selben Erwachsenen berufliche und familiäre Herausforderungen kompetent meistern. Doch dem kann gut begegnet werden, etwa mit dem Wissen darüber, wie es um die Lernfähigkeiten bei Erwachsenen bestellt ist und welche Lernstrategien eingesetzt werden können.

Die Erfahrung, dass das Verarbeitung von Neuem mit zunehmendem Alter mehr Zeit braucht, kann mit abnehmender Lernfähigkeit verwechselt werden. Das kann zur Annahme führen, dass ältere Personen bei Prüfungen gegenüber den Jüngeren benachteiligt seien. Tatsächlich nimmt die Verarbeitungsgeschwindigkeit ab etwa 22 Jahren ab. So richtig spürbar wird das ab dem 45. Altersjahr. Wer kennt das nicht beim Memory-Spiel mit Kindern? Doch das kann kompensiert werden. Erwachsene verfügen über zunehmend mehr Weltwissen und Erfahrungen. Neues Wissen kann in das bestehende Wissensnetz integriert werden. Zudem können ältere Erwachsene vielfach auf ein breites Repertoire an Lern- und Problemlösestrategien zurückgreifen. Auch können sie ihr Lernen besser planen, steuern und überwachen als Kinder und Jugendliche. Damit können ältere Prüflinge gegenüber jüngeren sogar im Vorteil sein. Ein gezieltes Einsetzen dieser Qualitäten ist von Nutzen. Dazu einige Tipps, welche sich in unserem CAS Erwachsenendidaktik bewährt haben.

Tipps für ein gezieltes Vorbereiten auf Prüfungen

  • Es lohnt sich, gut abzuklären, was genau an der Prüfung verlangt wird, wie die Prüfungsformen sind, wie, mit welchen Kriterien bewertet wird. Auch ist es sinnvoll, ehemalige Prüflinge dazu befragen, was verlangt, wie geprüft und worauf geachtet wurde. Sinnvoll ist, Informationen über die Prüfenden einholen. Was sind deren beruflichen Hintergründe, ihre fachlichen Schwerpunkte?
  • Gezielt auf die Prüfungssituationen hin lernen. Wenn zum Beispiel an der Prüfung ein Fallbeispiel gelöst werden muss, sollte man zur Vorbereitung Fallbeispiele bearbeiten. Sind Präsentationen gefordert, dann werden diese nicht nur gut vorbereitet, sondern auch in einer prüfungsähnlichen Form mit Kolleg/innen trainiert. Werden Wissensfragen gestellt, dann fokussiert darauf hin lernen, mögliche Fragen sammeln und sich dazu befragen lassen.
  • Prüfungen können zum Teil oder ganz aus reinen Wissensabfragen oder Multiple-Choice bestehen. Hier empfiehlt sich der Einsatz einer digitalen Lernkartei, die auch mobil einsetzbar ist. Diese sollte so konstruiert sein, dass das, was man weiss, nicht ständig wieder abgefragt wird, sondern in zeitlich immer mehr verzögerten Abständen.
  • Mündliche wie schriftliche Prüfungen werden i.d.R. aufgrund von Kriterien bewertet. Meist werden diese vom Anbieter der Aus- oder Weiterbildung transparent gemacht und stehen für die Vorbereitung zur Verfügung. Auf diese Kriterien hin lernen, sein Wissen und Können mit diesen Kriterien überprüfen oder überprüfen lassen.
  • Sich beim Lernen immer fragen, was man selbst zum Thema schon weiss. Die neuen Informationen sollten dann aktiv mit dem bestehenden Wissen verknüpfen werden.
  • Den Lernstoff gut portionieren und aufbauend über eine längere Zeit verteilen. Keinesfalls am Abend vorher, noch weniger am Morgen vor der Prüfung lernen. Das mag in der Schule noch geholfen haben. Erwachsene verarbeiten Neues jedoch langsamer als Kinder und Jugendliche. Sie brauchen mehr Zeit. Last-Minute-Lernen funktioniert kaum mehr. Kurzfristig Gelerntes ist an der Prüfung nicht oder nur partiell greifbar. Gleichzeitig verstärkt sich so die Nervosität.
  • Die Lernzeiten und Lernorte (auch in der eigenen Wohnung) so organisieren, dass möglichst konzentriert und ungestört an einem individuell passenden Lernort gelernt werden kann. Es empfiehlt sich, zu gleichbleibenden Zeiten und Orten zu lernen.
  • Sich realistische Zwischenziele setzen. Wenn sie erreicht werden, steigen auch Motivation und Selbstvertrauen. Das hilft, über eine längere Zeit durchzuhalten.
  • Sich selbst belohnen, wenn man diszipliniert war. Auch das motiviert.

Diese Tipps mögen Anregungen für Prüfungsvorbereitungen geben. Doch ist Lernen ein hochgradig individueller Prozess. Deshalb abschliessend noch ein Meta-Tipp: Beobachten Sie sich selbst beim Lernen und bei den Prüfungsvorbereitungen. Überlegen Sie sich, wie, wo und wann Sie am besten lernen, wie Ihnen das Lernen am besten gelingt, wie Sie Ihre Konzentration und Motivation optimal aufrechterhalten. Auch lohnt es sich, sich mit anderen Lernenden über deren Vorgehensweisen auszutauschen. Das eine oder andere können Sie in Ihre eigene Lernstrategie einbauen. Und in der Literatur finden Sie den einen oder anderen Hinweis, der adaptiert auch zu Ihnen passt. Lesen Sie aber nicht zuviel davon, sondern vertrauen Sie vor allem auf sich selbst und erweitern Sie durch Beobachtung, Reflexion und Training Ihre Lern- und Problemlösestrategien.

Ich wünsche Ihnen für Ihre nächste Prüfung viel Erfolg und freue mich, wenn Sie einen Kommentar zu Ihren Prüfungserfahrungen und -Strategien schreiben.

Donatus Berlinger 
Leiter Abteilung Erwachsenenbildung PH Luzern

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