Die regionale Stärke in der Berufsbildung

Die Ausbildung von Lehrpersonen ist in der Schweiz traditionell Sache der Kantone. Mit der Schaffung der Pädagogischen Hochschulen wurde auch der über viele Jahre gehegte Wunsch möglich, die Qualifizierung von Berufsfachschullehrpersonen an Hochschulen in den Regionen durchzuführen. Heute bilden die Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen und Zürich in ihren Regionen Berufsfachschul-, Berufsmittelschullehrpersonen, Berufsbildner/innen überbetriebliche Kurse (üK) und Lehrwerkstätten sowie Dozierende der höheren Fachschulen (HF) aus, womit auch eine regionale Stärkung der Berufsbildung verbunden ist.

Die Berufsbildung ist eine Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Dabei kommen die Kantone, die für die Umsetzung in der Berufsbildung zuständig sind, für drei Viertel der Kosten auf. Die Föderalisierung der Kosten spiegelt die regionalpolitische Bedeutung der Berufsbildung wieder. Denn eine Stärke der Berufsbildung ist die enge Verknüpfung mit der regionalen Wirtschaft. Nur so kann die arbeitsmarktbezogene Berufsbildung Fachkräfte für die unterschiedlichen Arbeitsmärkte qualifizieren. Diese enge Verknüpfung mit der regionalen und kantonalen Praxis ist auch ein Erfolgsfaktor in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. So sind beispielsweise Praktikumsplätze in Schulen für künftige Lehrpersonen nicht nur wichtige Lernorte, sondern auch ein effizientes Instrument des Arbeitsmarktes, das Stellen und Personen „matched“.

Ziel der Subsidiarität dank der Pädagogischen Hochschulen erreicht

In der Berufsbildung wurde die Abwesenheit einer regionalen Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen in der Berufsbildung (Berufsbildungsverantwortliche) lange bedauert. Bereits im Berufsbildungsgesetz von 1978 (Art. 36) wurde davon gesprochen, dass die Ausbildungen der Lehrpersonen an Berufsfachschulen nur dann beim Bund stattfinden sollen, wenn sie nicht an einer kantonalen Hochschule erfolgen kann. Das Subsidiaritätsprinzip in der Qualifizierung von Berufsfachschullehrpersonen wurde im Bericht des Bundesrates über die Berufsbildung vom 11. September 1996 expliziter: „Die Ausbildung der Berufsfachschullehrer und -lehrerinnen ist subsidiär geregelt.“ Mit der Schaffung der Eidgenössischen Kommission für Berufsbildungsverantwortliche (EKBV) wurde eine wichtige Grundlage für die dezentrale Qualifizierung der Berufsfachschullehrpersonen gelegt, da sie für die „Koordination und Anerkennung der Diplome für Berufsbildungsverantwortliche“ und für die „Benennung und Aufsicht der Institutionen, die eidgenössisch anerkannte Diplome abgeben“, zuständig ist. Die erfreuliche Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen und ihrer neuen Rolle in der Berufsbildung hat zur Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips in der Qualifizierung von Lehrpersonen der Berufsbildung (Berufsbildungsverantwortliche) geführt. Heute können sich Interessierte auch an den Pädagogischen Hochschulen in Luzern, St. Gallen und Zürich zu Berufsbildungsverantwortlichen ausbilden.

Effizient, innovativ, praxisnah, transparent und wirkungsvoll

Mit dem Engagement der Pädagogischen Hochschulen wurde eine neue Ära in der Qualifizierung von Berufsbildungsverantwortlichen eingeläutet. Die zentral von der EKBV anerkannten Studiengänge können neu von den Erfahrungen und Kompetenzen der Pädagogischen Hochschulen in Lehre und Forschung profitieren. Synergien und Spillovereffekte haben zu Kostenreduktionen, Innovationen und einer erhöhten Durchlässigkeit im Berufsbildungssystem geführt. In Themen wie beispielsweise bilingualer Unterricht, Deutsch als Zweitsprache, Begabungs- und Begabtenförderung, Umgang mit Heterogenität, Unterrichtsvideo in der Ausbildung von Lehrpersonen oder Schulführung und Schulentwicklung konnten dank der Expertise an den Pädagogischen Hochschulen in der Aus- und Weiterbildung von Berufsbildungsverantwortlichen neue Akzente gesetzt werden.

Mit der Nähe der künftigen Lehrpersonen der Sekundarstufe I und II haben sich auch neue Möglichkeiten im Umgang mit den Übergängen (Schwelle 1) ergeben. So wird dieser Übergang an den Pädagogischen Hochschulen nicht nur erforscht, die Pädagogischen Hochschulen haben auch eine neue Rolle im regionalen Übergangsmanagement mit der Verknüpfung von Sek I, Sek II und der Wirtschaft übernommen. Die pädagogische Qualifizierung von Gymnasial-, Berufsmaturitäts- und Berufsfachschullehrpersonen unter einem Dach trägt zudem zur erhöhten Durchlässigkeit im Bildungssystem und einer grösseren Nähe der Lehrpersonen – auch innerhalb der Sekundarstufe II – bei. Die Pädagogischen Hochschulen bieten damit ein institutionelles Novum, dessen positive Wirkung noch kaum ganz abgeschätzt werden kann.

Die Etablierung der Pädagogischen Hochschulen als Professionshochschulen mit dem vierfachen Leistungsauftrag in der Berufsbildung, hat auch die regionale Nachfrage nach wissenschaftsbasierten Dienstleistungen erhöht. Heute erbringen die Pädagogischen Hochschulen wissenschaftliche Studien für Betriebe, Berufsfachschulen oder die Berufsbildungsverwaltung, führen Evaluationen von regionalen Berufsbildungsprojekten durch oder werden in die regionalen Expertengremien integriert.

Dank der Subjektfinanzierung über die Fachhochschulvereinbarung (FHV) wurden auch die Anreize zur effizienten Leistungserbringung, zur Innovation und zur klaren Positionierung der Angebote geschaffen. Mit dieser zeitgemässen und hochschulkonformen Finanzierung wurde nicht nur mehr Transparenz bei den Kosten geschaffen, sondern auch ein bewährtes Instrument der Governance bei der Qualifizierung der Berufsbildungsverantwortlichen eingeführt. Die Pädagogischen Hochschulen mit über 1‘000 (PH St. Gallen), 2‘000 (PH Luzern) bzw. 3‘000 (PH Zürich) Studierenden können den Studierenden der Berufsbildung in den Regionen zudem Infrastrukturen (z.B. Bibliotheken) und Dienstleistungen (z.B. Schreibberatung, Sprechberatung, psychologische Beratung, Hochschulsport) mit geringen Grenzkosten zur Verfügung stellen.

Schliesslich ermöglichen die Pädagogischen Hochschulen den künftigen Berufsbildungsverantwortlichen die Teilhabe an der regionalen tertiären Bildungs-Community, was sich einerseits bei der lebenslangen Weiterqualifizierung auszahlt und anderseits die regionalen Bildungsräume und damit die Attraktivität der Wirtschaftsregion stärkt.

Qualitätsentwicklung dank komplementärer Arbeitsteilung

Mit der „HFKG-Akkreditierung“ der Pädagogischen Hochschulen erfolgt auch ein wichtiger Schritt in der Qualitätssicherung bei der Qualifizierung der Berufsbildungsverantwortlichen. Mit dem Nachweis der hohen und international vergleichbaren Qualitätsstandards der Pädagogischen Hochschulen gewinnen die Abschlüsse der Berufsbildungsverantwortlichen an nationaler und internationaler Bedeutung. Damit wird u.a. auch die internationale Mobilität der künftigen Berufsbildungsverantwortlichen erhöht. Ebenso werden Strukturen geschaffen, welche die Attraktivität für ausländische Studierende erhöht, an einer Pädagogischen Hochschule das Schweizer Berufsbildungssystem kennenzulernen. Die nationale Mobilität der Berufsbildungsverantwortlichen ist zwar institutionell durch die nationalen Rahmenvorgaben der Studiengänge für künftige Berufsbildungsverantwortliche gegeben. Die Vernetzung der Anbieterinnen von Aus- und Weiterbildung mit unterschiedlichen Schwerpunkten steht aber noch in den Kinderschuhen. Wichtige Entwicklungen wie beispielsweise die Zusammenarbeit in der Berufsfelddidaktik mit den Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen, Zürich, dem EHB und der Universität Zürich zeigen das Potential der Vernetzung der regionalen Schwerpunkte auf.

Dank der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips bei der Qualifizierung von Berufsbildungsverantwortlichen werden die komplementären Kompetenzen in der arbeitsteiligen Verbundpartnerschaft und damit die Qualitätsentwicklung gestärkt. Dennoch müssen die für den Bund und die Kantone so wichtigen Systemdaten umfassender erfasst, analysiert und praxistauglich den Verbundpartnern zur Verfügung gestellt werden. Ebenso sind erhöhte Anstrengungen in Berufsentwicklung, die in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erfolgt, notwendig, um den kurzen Innovationszyklen in der Wirtschaft gerecht zu werden. Schliesslich sind auch die Pädagogischen Hochschulen auf einen wissenschaftlichen Berufsbildungsnachwuchs angewiesen, um zusammen mit den Didaktiker/innen und Erziehungswissenschafter/innen die Qualifizierung der Berufsbildungsverantwortlichen laufend den globalen Trends, nationalen Rahmenbedingungen und regionalen Gegebenheiten anzupassen.

Die regional verankerten Pädagogischen Hochschulen stärken dank ihrer hohen Expertise in der Qualifizierung von Lehrpersonen aller Stufen und ihrem vierfachen Leistungsauftrag die Berufsbildung und tragen wesentlich zur Attraktivität des Bildungs- und Wirtschaftsstandortes bei.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

Twitter: @juergarpagaus

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