Digitalisierung: Was muss ich als Lehrperson können?

Mit der Digitalisierungsdebatte konkretisieren sich auch die notwendigen Kompetenzen von Lehrpersonen in einer digitalisierten Welt. Es sind nicht nur neue Kompetenzen in Medien und Informatik, die Lehrpersonen aufweisen müssen. Es sind auch Akzente, die sich bei vorhandenen Kompetenzen verschieben. Lehrpersonen müssen im Zuge der Digitalisierung der Kreativität, Fantasie, Empathie, Kollaboration, dem gesunden Menschenverstand sowie der politischen Bildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung mehr Gewicht geben.

Unter dem Schlagwort Bildung 4.0 wird von Techno-Euphorikern die vollständige Digitalisierung der Bildung mit virtuellen Lehr- und Lernmöglichkeiten und das Lehren und Lernen mit Hilfe von intelligenten Robotern, die dabei künstliche Intelligenz und Big Data nutzen, verstanden. Die Pragmatiker/innen im Schulfeld meinen hingegen, dass der Lehrplan 21 mit dem Modullehrplan Medien und Informatik bereits eine ausreichende Antwort auf die Digitalisierung sei. Die Schülerinnen und Schüler lernen die wichtigsten (basalen) Kompetenzen, um mit neuen Medien und Technologien kritisch konstruktiv umzugehen. So oder so stellt sich die Frage, was müssen Lehrpersonen beherrschen, wenn sie in einer zunehmend digitalen Welt, u.a. Medien und Informatik in der Volksschule unterrichten wollen.

Aus meiner Sicht müssen vier Kompetenzbereiche unterschieden werden. Der erste Kompetenzbereich umfasst die Fachwissenschaften Informatik und Medienbildung. Der zweite Kompetenzbereich, der mit dem ersten direkt verbunden ist, sind die Fachdidaktiken in Informatik und in Medienbildung. Der dritte Kompetenzbereich beschreibt die Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements mit Hilfe von neuen Technologien (Instructional Design). Schliesslich brauchen Lehrpersonen in einer digitalisierten Welt Kompetenzen zur Vermittlung der zu den intelligenten Maschinen komplementären Skills wie Kreativität, Fantasie, Empathie, Kollaborationsfähigkeit und gesunder Menschenverstand. Im Rahmen des CAS Medien und Informatik für Lehrpersonen können Lehrpersonen an der PH Luzern ihre Kompetenzen in diesen Bereichen ausbauen.

Wenn intelligente Maschinen nicht nur die Routineaufgaben sondern auch Recherche-, Analyse-, Konzept- oder Beratungsaufgaben von Juristen/-innen, Ärzten/-innen, Anlageberatern/-innen, Entwicklungsengineers und Marketingexperten/-innen übernehmen, dann müssen die Menschen sich auf die Kompetenzen fokussieren, die „exklusiv“ menschlich sind. Ich nenne diese Kompetenzen hier die „human skills“, um sie von den „Kompetenzen“ der intelligenten Maschinen abzugrenzen. Für die Lehrpersonen heisst das, dass sie mit zunehmender Digitalisierung der Welt ihren Fachunterricht künftig so gestalten müssen, dass verstärkt auch die „human skills“ gefördert werden. Lehrpersonen fragen sich dann: Wie sieht mein Deutschunterricht aus, der auch die Fantasie und Kreativität fördert? Oder: Wie plane ich den Französischunterricht, um den gesunden Menschenverstand und die Empathie zu stärken? Diese „human skills“ werden bereits heute gefördert; nur noch nicht in dem Umfang, wie sie von einer digitalisierten Welt nachgefragt werden. Hier können die Lehrpersonen mit Kreativität, Fantasie und Selbstvertrauen bereits heute ihren eigenen Unterricht entsprechend gestalten und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur digitalen Transformation.

Diese zu den intelligenten Maschinen komplementären Kompetenzen kommen jedoch nur dann zum Tragen, wenn die grundlegenden Informatikkompetenzen vorhanden sind. Speziell bei Lehrpersonen sind vertiefte Informatikkompetenzen notwendig, um einerseits mit einer ausreichenden fachlichen Überhöhung die Inhalte mit der entsprechenden Fachdidaktik zu vermitteln. Anderseits brauchen Lehrpersonen Fachkompetenzen in Informatik, um bei der Gestaltung neuer Lehr- und Lernumgebungen nicht an den Technologien zu scheitern. In Analogie zu den Sprachkompetenzen gemäss dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen sollten die Lehrpersonen, so meine ich, ein Kompetenzniveau C1 in Informatik aufweisen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind vor allem politische Initiativen wie ein nationales Digitalisierungsprojekt (EduDig21) in der Lehrpersonenqualifizierung notwendig. Denn nur mit zusätzlichen Mitteln in dreistelliger Millionenhöhe können diese Minimalziele in den nächsten 10 Jahren erreicht werden.

Last but not least gehören die politische Bildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung zum Kern der „digitalen Kompetenzen“. Nur wer kompetent ist, über den politischen Prozess die digitale Zukunft mitzugestalten und dabei die nachhaltige Entwicklung (mit Hilfe von neuen Technologien) ins Zentrum rückt, ist für ein Leben mit künstlicher Intelligenz Big Data oder gar Singularität gewappnet. Mit der Summer School Medien und Informatik bietet die PH Luzern vom 9. bis zum 13. Juli 2018 in diesen für die digitale Zukunft notwendigen Kompetenzbereichen Weiterbildungen an.

 

Prof. Dr. Jürg Arpagaus, PH Luzern

@juergarpagaus

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