Medien und Informatik, zwei Seiten einer Medaille

Der Lehrplan 21 hat mit dem Modullehrplan Medien und Informatik wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Mit der Informatik wird die künftige «Employability» bedient und mit «Medien» die kritische Auseinandersetzung mit der durch die neuen Technologien induzierte «Lebenswelt» gefördert. Das Begriffspaar Medien und Informatik kann als Ausdruck einer aufgeklärt kritischen und digitalisierten Gesellschaft gedeutet werden.

Seit den 60er Jahren prägt die Informatik zunehmend Wirtschaft und Gesellschaft. Der Computer, das Internet, Big Data und Machine Learning (ML), gepaart mit Produkten, Dienstleistungen, Plattformen und neuen Geschäftsmodellen, verändern die Medienwelt mit dem Medium als Mitte, Mittel und Mittler. Die mediale Welt, in der wir heute leben, verlangt von aktiven und kritischen Bürger/-innen umfassende Kompetenzen. Diese Kompetenzen reichen vom kritischen Konsum über die produktive Nutzung bis hin zur Produktion, Distribution und Innovation von eigenen medialen «Produkten».

Mit dem Modullehrplan Medien und Informatik wird die Medienbildung zu einem expliziteren Bestandteil der Volksschulbildung. Natürlich wurde bereits in der Vergangenheit Medienbildung in Fächern wie Deutsch oder Geschichte betrieben. Mit dem Lehrplan 21 (LP21) und der «Anbindung» der Medienbildung an die Informatik hat die Medienbildung eine neue Qualität erhalten. Wenn die Informatik stark auf die künftige «employability» zielt und die positive Kraft des technologischen Fortschritts betont, soll die Medienbildung – so meine ich – die kritische Reflexion der neuen technologischen Möglichkeiten in unserer medialen Welt umfassen. Entsprechend finden wir im Lehrplan 21: «Die Schülerinnen und Schüler können Medien und Medienbeiträge entschlüsseln, reflektieren und nutzen.»

Es scheint mir daher naheliegend, die Medienbildung in der Volksschule auch bei der Frankfurter Schule und der «Dialektik der Aufklärung» zu verankern. Denn die bunte neue Medienwelt bietet nicht einfach ein unschuldiges Informations- (und Unterhaltungs-) Programm. Im Sinne von Horkheimer und Adorno kann die neue digitale Medienwelt als systematisches in alle Verästelungen der Lebenswelten reichendes Herrschaftsinstrument betrachtet werden. Es lohnt sich kritisch darüber nachzudenken, was die Teilnahme (als Konsumenten und Produzenten) an der digitalen Medienwelt mit uns anstellt und was gut und was weniger gut daran ist.

Wo die Informatik ein Inbegriff des (schrankenlosen) Fortschritts und Veränderung ist, sollte die Medienbildung auch als Instrument der kritischen Reflexion der «Digitalisierung» und der Digitalisierung der Medienwelt verstanden werden. Denn heute findet ein grosser Teil des Lebens in der digitalen Welt statt. Wir informieren uns über die digitalen Medien, wir kommunizieren über sie, wir arbeiten mit Hilfe der digitalen Medien zusammen, wir lernen uns über die neuen Medien kennen oder wir konstruieren unsere Identität über die Profile der verschiedenen sozialen Netzwerke. Die digitale Lebenswelt entzieht sich aber weitgehend demokratischen Prozessen. Wenige gigantische Unternehmen definieren Algorithmen, die unsere Lebenswelten (vor)strukturieren. Hier müssen die Schülerinnen und Schüler in der Medienbildung lernen, kritische Fragen zu stellen.

Der Modullehrplan Medien(bildung) gibt den Lehrpersonen nun die Möglichkeit und den Auftrag, einen kritischen Blick auf die Informatik-induzierten Veränderungen in der medial geprägten Lebenswelt zu werfen. Als fachübergreifender Kompetenzbereich eignet sich die «Medienbildung» ausgezeichnet, nicht nur in den einzelnen Fächern zur Anwendung zu kommen, sondern auch beim Aufbau von überfachlichen Kompetenzen wie der Suche, der kritischen Bewertung und der Präsentation von Informationen und Daten.

Diese neuen Herausforderungen in der Medienbildung betreffen Lehrpersonen und Schüler/innen aller drei Zyklen. Im CAS Medien und Informatik für Lehrpersonen (CAS MIL) werden die Lehrpersonen in die Grundlagen der Medienpädagogik eingeführt und vertiefen wichtige Aspekte der Medienkompetenzen, die sie in ihrem Unterricht benötigen. Denn einen kritisch aufgeklärten Blick auf die «Digitalisierung» zu werfen ist im Zusammenhang mit der «Entwicklung des Verständnisses der Informationsgesellschaft» zwingend notwendig.

Prof. Dr. Jürg Arpagaus, PH Luzern

@juergarpagaus

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