Neugier und Lernen

Neugier beim Lernen macht Spass. Wir lernen zudem rascher und nachhaltiger. Eine neurowissenschaftliche Studie legt nahe, dass sich diese Neugier dabei nicht zwingend auf den zu lernenden Stoff beziehen muss. Es reicht aus, wenn wir uns im Zustand der Neugier befinden. Können diese Erkenntnisse für den Unterricht genutzt werden?

Neugier, Emotion und Lernen sind eng miteinander verbunden. Wenn sich Lebewesen im Zustand der Neugier befinden, lernen sie rascher und nachhaltiger. Das gilt für Tiere genauso wie für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Neugier ist essentiell wichtig für unser Überleben. Dank ihr gewinnen wir neue Erkenntnisse, finden heraus, welches Gewürz dem Gericht seinen besonderen Gout verleiht, wer eine Goldmedaille beim Strandvolleyball gewonnen hat und wie ein Haus gebaut wird. „Die Neugier ist der Motor aller Neuerungen, sie hat uns das Feuer, Penicillin und die Mondfahrt gebracht.“ (Fellmann & Krause, 2015).

Eine neurowissenschaftliche Studie der University of California in Davis belegt, dass Neugier das Gehirn in einen ganz speziellen Zustand versetzt. Es saugt im Neugiermodus auch Informationen auf, die mit dem neugiererzeugenden Thema gar nichts zu tun haben. Im Zustand der Neugier wird der Nukleus accumbens aktiviert. Diese nussgrosse Struktur mitten im Gehirn ist Teil unseres Belohnungssystems. Dieses tritt in Funktion, wenn wir z.B. neugierig die Antwort auf eine uns interessierende Frage erwarten. Dann schüttet der Nukleus accumbens  den Botenstoff Dopamin aus. Die Antwort sollte neu sein. Noch besser ist es, wenn sie unerwartet ist. Es sei jedoch gewarnt: Dopamin ist eine Droge und kann süchtig machen.

Die zugrundeliegende biologische Funktion: Eine hohe Aufmerksamkeit auf neue und v.a. unerwartete Informationen bildet einen Überlebensvorteil. Diese genetisch angelegte Eigenschaft nutzen alle News-Apps. Wenn ein Zeichen erklingt, dass eine neue Mail eingegangen ist oder eine neue Zeitungsmeldung vorliegt, fällt es schwer, den Blick nicht sogleich auf das Smartphone zu richten.

Was könnte das für den Unterricht bedeuten? Wenn das Thema, das Sie zu vermitteln haben, keinerlei Interesse zu wecken vermag, wie auch immer Sie das Thema aufbereiten, dann erzeugen Sie mit etwas anderem Neugierde. Vielleicht lassen Sie Lerngruppen  Fragen zu Themen ausserhalb des Schulkontextes formulieren, auf die niemand Antwort weiss und deren Antwort alle brennend interessiert. Oder Sie selbst stellen solche Fragen. Die entstandene Neugier darf jedoch nicht gleich durch eine Antwort befriedigt werden. Da müssen sich die Lernenden vorerst gedulden. Vermitteln Sie nun Ihr Thema oder lassen Sie die Lernenden einen Stoff bearbeiten. Die Auflösung der Frage darf erst im Anschluss erfolgen. Optimal ist, wenn die Antwort nicht den Erwartungen entspricht. Dann verstärkt sich die Dopamin-Ausschüttung. Das in der Zwischenzeit bearbeitete Thema wird rascher und nachhaltiger abgespeichert.

Im MAS in Adult and Professional Education (MAS A&PE) erzählte neulich ein Teilnehmer zu diesem Thema, dass sein Sekundarlehrer vor vielen Jahren seine Schulmappe auf den Tisch gestellt habe und die Schüler habe raten lassen, was drinnen sei. Die Auflösung kam erst am Schluss der Lektion. In der Zwischenzeit erklärte er ihnen komplizierte Mathe-Formeln. Die Studie existierte damals noch nicht, wohl aber findige Lehrpersonen, welche mit dem Neugiertrieb experimentierten.

Das Beste ist natürlich, wenn Sie das zu erarbeitende Thema so aufbereiten, dass es neugierig macht. Geben Sie aber auch hier nicht gleich die Antwort, sondern lassen Sie die Lernenden selbst das Thema erforschen.

Donatus Berlinger, Abteilungsleiter Erwachsenenbildung

 

Leseanregungen

Fellmann , M. & Krause, T. 2015). Was gibt’s denn da zu gucken. Süddeutsche Zeitung.

Spitzer, M. (2009). Neugier und Lernen. Nervenheilkunde 9. 

Spitzer, M. Glück im Gehirn (Video).

Zelbig, D. (2016). Warum Neugier manchmal weh tut. Spektrum der Wissenschaft. 

 

Weiterbildung mit Profil (Teil 6 von 8): Innovation als Inhalt, Prozess und Wirkung von Weiterbildungen

„Innovation“ – das sechste Merkmal aus dem Produkteprofil der WB PH Luzern. Weiterbildungen sind in ihrem Wesen Innovationsräume. Ihr Kennzeichen ist das Neue. Das kann den Inhalt, den Prozess wie die Wirkung betreffen. Weiterbildende sind Innovationsexpert/innen: Sie sind selbst lernbereit, regen zu einem veränderten Denken und Handeln an, sind in ihrer Kursgestaltung oder Themenwahl innovativ, ermutigen zu Veränderungsprozessen.

Ebenen Innovation Bildungsbereich

Bild 1: Weiterbildende als zentraler Faktor der Innovation an der Schnittstelle gesellschaftlicher, organisationaler und individueller Entwicklung.

Was hat Innovation mit Lern- und Bildungsprozessen zu tun?
„Innovatio“ (lat.) bedeutet Erneuerung, Veränderung, Wandel, Neuheit. Lernen und Bildung sind Veränderungs- und Erneuerungsprozesse. Damit sind Lernräume in ihrem Wesen nichts Geringeres als „Innovationsräume“. Unabhängig davon, ob der Inhalt oder die Lernform neuartig ist. Der Prozess ist es allemal – wenn die Weiterbildung zu einem veränderten Denken und Handeln führt. Weiterlesen

Auf welche Lerndefinition kann bei der Gestaltung von wirkungsvollen Lern-/Lehrarrangements zurückgegriffen werden?

Lerndefinitionen beschreiben nicht nur das Lernen, sondern können auch als Richtschnur für die Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements verwendet werden. Ich nehme Bezug auf das Lernverständnis der beiden grossen psychologischen Forschungsrichtungen zum Lernen: der behavioristischen und der kognitionspsychologischen.

 

Zwei sich ergänzende Sichtweisen auf das Lernen

Die behavioristische Sicht auf das Lernen beschreibt präzise, wie Organismen ohne Einsatz der Sprache lernen. Doch damit wird nur ein eng beschränkter Teil des menschlichen Lernens in Aus- und Weiterbildungen gefasst. Weiterlesen

Begriffe und Definitionen sind kontext- und theoriegebunden

Klärungen zentraler Begriffe eines Themas im Unterricht, in Unterrichtsmaterialien oder in Diplom- und Masterarbeiten sind wichtig, um ein fundiertes inhaltliches Verständnis zu erlangen. Denn je nach Kontext im alltagssprachlichen Gebrauch, nach Professionskontext oder nach Herkunftstheorie in der wissenschaftlichen Verwendung können Begriffe eine völlig andere Bedeutung haben.

In den Diskussionen mit Studierenden fällt mir immer wieder auf, wie Begriffe aus dem alltagssprachlichen  unhinterfragt in den wissenschaftlichen Kontext übertragen werden und daraus erhebliche Missverständnisse resultieren können. So wird etwa der Begriff ‚Motivation‘ meist so verstanden, dass jemand etwas gerne und mit Engagement tut, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bedeutet ‚Motivation‘ jedoch, dass eine Verhaltensbereitschaft dazu besteht, etwas zu tun oder zu meiden. Weiterlesen

Lernen im Schlaf

Lernen wir im Schlaf? Die Antwort aus Schlafforschung und Neurowissenschaft: ein klares JA. Also nichts wie los, ein Lernprogramm kaufen, mit dem man nachts Vokabeln lernen kann.

Studierende in unserem Studiengang in Erwachsenen- und Berufsbildung MAS A&PE haben mir in einem Expertengespräch Fragen zu neurowissenschaftlichen Themen aus dem Modul Lernpsychologie gestellt. Darunter die Frage, was an den Lernprogrammen zu „Lernen im Schlaf“ dran sei. Weiterlesen