Die wichtige Präsenz der HBB auf der Sekundarstufe I

Die Attraktivität der Berufsbildung hängt wesentlich von den Entwicklungsmöglichkeiten im Berufsfeld ab. Es ist die höhere Berufsbildung (HBB), die in der handlungsorientierten post-sekundären Qualifizierung eine Schlüsselrolle spielt. Das von der HBB ausgehende Signal an die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I kann Entscheidungen zugunsten der Berufsbildung beeinflussen. Ist die HBB heute dazu in der Lage?

Eine grosse Stärke der (dualen) Berufsbildung ist, wie sie den Übergang der Mehrheit der Jugendlichen in der Schweiz von der Schule in den Beruf (Erwerbsleben) gestaltet. In die berufliche Grundbildung überzutreten ist in der Schweiz «ein sicherer Wert». Heute verspricht ein Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Anstellung nach der Berufslehre, einen relativ hohen Lohn und Entwicklungsperspektiven. Der schnelle technologische Wandel erfordert aufgrund der stark handlungsorientierten Qualifizierung der beruflichen Grundbildung häufige Anpassungen der Berufsqualifikationen. Hierfür bieten sich die Angebote der Höheren Berufsbildung (HBB) an.

Die HBB ist heute stark an die regulierten Studiengänge bzw. Berufsprüfungen (BP) und höheren Fachprüfungen (HFP) gebunden. Der Vorteil dieser Abschlüsse ist, dass sie institutionalisiert und die Diplome in der Schweiz gut anerkannt sind. In der sich schnell wandelnden Welt muss sich die HBB jedoch fragen, ob sie mit diesen institutionalisierten Abschlüssen ausreichend schnell auf Veränderungen reagieren kann, oder ob nicht zusätzlich flexiblere und kostengünstigere Angebote attraktiver sind und den jungen Berufsleuten mehr Perspektiven versprechen. Weiterlesen

Die digitale Disruption in der Bildung: Gig-Education

Die Digitalisierung induziert neue Organisationsformen. Airbnb oder Uber nutzen Plattform-Geschäftsmodelle, die sich fundamental von den Organisationen des 20. Jahrhunderts unterscheiden. Bringt das Plattform-Geschäftsmodell die „digitale Disruption“ in die Bildung? Werden künftig Lehrpersonen nur noch Gigs bearbeiten?

Katja sitzt zu Hause und arbeitet den LP21-Onlinekurs „Konsum II“ durch. Es wird der Einfluss von Marketingstrategien auf die Konsumentscheidungen behandelt. Ihr Auftrag auf die nächste Präsenzlektion ist, ein ePlakat zu posten, das die Marketingstrategie eines frei gewählten Produkts darstellt. Katja braucht Unterstützung bei der Interpretation von statistischen Daten zum gewählten Produkt. Sie setzt ihr Headset auf und wählt die Nummer von EduABC, einer kommerziellen Plattform, die Schülerinnen und Schüler der Volksschule automatisch mit einer geeigneten Lehrperson verbindet. EduABC kennt Katjas Bildungsverlauf, ihren Lernstand, macht Katja von Zeit zu Zeit Kurs- und Übungsvorschläge und weiss auch von Katjas Rückmeldungen, welche Lehrperson ihr in der Vergangenheit weiterhelfen konnte.

Von der Festanstellung zum Gig

Die Digitalisierung hat neue Geschäftsmodelle hervorgebracht. Airbnb oder Uber sind zwei erfolgreiche Beispiele, die mit dem Plattform-Geschäftsmodell neue Dienstleistungen für Millionen von Menschen anbieten. Plattformen verändern nicht nur die Geschäftsmodelle der Anbieter, sondern auch die Organisation und das Verhältnis zu den Mitarbeitenden. Zunehmend werden die Mitarbeitenden zu Freelancern, die pro Auftrag – oder Gig – bezahlt werden. Weiterlesen

Buchreview: Aus dem Reformalltag der beruflichen Grundbildung

«Ausbilden» von Carlen, Grassi, Hämmerle und Koch präsentiert entlang des Reformprozesses im Berufsfeld Verkehrswegbau einen reichen Strauss an Themen der beruflichen Grundbildung. Die Publikation präsentiert normative Konzepte, ethnografische Beobachtungen, hilfreiche Checklisten und selbstkritische Analysen, womit eine wichtige Dokumentation eines einmaligen Reformprozesses entstanden ist. Die 150 Seiten umfassende Publikation gibt Aussenstehenden wie auch Personen, die vor einer Revision einer Bildungsverordnung stehen, wichtige Einblicke in das System der beruflichen Grundbildung und Hinweise zur Gestaltung von Reformprozessen.

Das Buch «Ausbilden. Kompetenzorientierung und Lernortkooperation in der beruflichen Grundbildung» ist die jüngste Publikation der Reihe hep praxis und dokumentiert den Prozess der Reform des Berufsfelds Verkehrswegbau. Nach dem einleitenden Kapitel, das im Wesentlichen die Ausgangslage des Reformvorhabens beschreibt, folgen sieben inhaltliche Kapitel und ein Schlusswort. Weiterlesen

Wie viel Forschung braucht die Weiterbildung? Oder, wie Forschung und Lehre verknüpft wird.

Die Verknüpfung von Forschung und Lehre ist eine zentrale Aufgabe der Weiterbildungsanbieter auf Hochschulstufe. Darin sind sich alle einig. Differenzen gibt es in der Art und Weise, wie diese Verknüpfung von Forschung und Lehre in einem Weiterbildungsangebot realisiert werden soll. Für die einen ist die Forderung erfüllt, wenn die Dozierenden der Weiterbildung mit einem akademischen Titel (Prof. oder Dr.) ausgestattet sind. Für andere ist die Verknüpfung vor allem dann gegeben, wenn die eigene Forschung und die Erkenntnisse dieser Forschung in einer Weiterbildung für die Praxis übersetzt werden. Ich argumentiere im Folgenden, dass die forschende Haltung und die (implizite oder explizite) Vermittlung der forschenden Haltung die zentralen verbindenden Elemente von Forschung und Lehre in der Weiterbildung sein sollen.

Mit der Tertiarisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung hat sich der Anspruch an die Lehre verändert. Wissenschaftlicher, theoriegeleiteter, forschungsbasierter und auch praxisorientierter musste die Lehre werden. Umgesetzt werden diese neuen Anforderungen u.a., indem die Studierenden an Pädagogischen Hochschulen wie an allen andern Hochschulen das „wissenschaftliche Arbeiten“ lernen und wissenschaftsbasierte Leistungsnachweise schreiben müssen, die Dozierenden neu Forschungserfahrung mitbringen oder die Unterlagen und Aussagen an Lehrveranstaltungen minutiös mit Quellenangaben versehen werden. Diese zwar wichtigen Beiträge zur Verknüpfung von Lehre und Forschung sind in der Weiterbildung von Lehrpersonen jedoch weit weniger zentral, als Weiterlesen

Berufserfahrung macht noch keine Experten – oder wie ich eine gute Lehrperson werde

Junglehrpersonen begeben sich nach Studienabschluss als Novizen in ihr Berufsfeld, womit ihre Professionsentwicklung beginnt. Erst mit dem bewussten und reflektierten Praktizieren entwickeln sich Lehrpersonen in ihren Kompetenzen, allen Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln und sie zu fördern. Es gibt keine Lehrer/innen-Gene und keine natürliche Begabung eine gute Lehrerin/ein guter Lehrer zu sein, sondern nur Lehrpersonen, die sich mehr oder weniger in ihrer Profession entwickeln.

Mein sechsjähriger Sohn hat begonnen, ein Instrument zu spielen und zwar in der klassischen Methode: Einmal pro Woche besucht er den Musikunterricht, wo ihm die Musiklehrerin Rückmeldungen zu seinem Spiel und neue Herausforderungen mitgibt, die er dann bis zur nächsten Stunde üben soll. Seit der These von Malcolm Gladwell im Buch Outliers (2008) wissen wir, dass Menschen rund 10‘000 Stunden ins Üben investieren müssen, um z.B. auf einem Instrument, im Sport oder auch in ihrer Profession gut zu werden. Der Urheber dieser These, Andres Ericsson zeigt mit seiner Forschung (z.B. Ericsson und Pool, 2016; Ericsson et al., 2013), dass es eine ganz bestimmte Art von Üben braucht, um Fortschritte zu machen. Er nennt das „Deliberate Practicing“. Deliberate Practicing gilt auch als Goldstandard, wenn es um die Entwicklung der Kompetenzen des Unterrichtens von Lehrpersonen geht.

Deliberate Practicing

Die Kompetenzentwicklung von Personen in einer Profession, d.h. der Professionals wie der Lehrerinnen und Lehrer, der Anwältinnen und Anwälte oder der Ärztinnen und Ärzte ist wissenschaftlich gut untersucht. Quasi axiomatisch ist die Erkenntnis, dass Praktizieren per se noch keine Entwicklung zum Besseren mit sich bringt. Viele Studien zeigen, dass die Kompetenzen von Professionals trotz regelmässigen Weiterbildungen abnehmen. Ein Grund liegt darin, dass Weiterlesen