Wo diis Huus wohnt


Ein Stück über Herkunft gespielt von „Reich & Schön“
Besuch einer Schulvorstellung am 12. November im GZ Buchegg, Zürich
von Kathrin Brülhart Corbat

«Was stört dich, nervt dich an deinen Eltern?» Diese Frage muss vor dem Stück beantwortet werden. Auf die Zettel wird eifrig geschrieben, diese werden von Denise und Kapi zu Beginn der Vorstellung eingesammelt. Gibt es Eltern im Publikum? ihnen wird sofort ein Pamir verpasst… Ich darf nicht zuhören.

DENISE: Ich cha säge: Ich bin es Naturchind, ich chume vom Land
KAPI: Oder us de Stadt
DENISE: 300 Iiwohner
KAPI: 11.5 Millionen Iiwohner
DENISE: Niemer suecht sich sini Herkunft us. Sie passiert eim eifach. Me wird gebore und villicht landet me nöime, wome gar nit inepasst.
KAPI: Imene Land, wo mer nöd will sie
DENISE: Inere Stadt, wo eim fremd isch
KAPI: Inere Strass, wo me kei Fründe findet.
DENISE: Oder, ebe… am schlimmschte: bi Eltere, wo eim überhaupt nit verstöh.
KAPI: Oh ja..
DENISE: Häng ufe: wer het no nie irgendwelchi Problem gha mit sine Eltere? Voilà.

Natürlich lege ich meinen Ohrenverschluss schnell wieder ab – wir Eltern sind Aliens, kommen von einem anderen Planeten, sind alle überfordert und haben keine Ahnung… das kann ja interessant werden… und das wird es: In diesem Stück geht es um Herkunft, Kapi kommt aus Kinshasa, einer Millionenstadt aus der demokratischen Republik Kongo, Denise aus einem kleinen Kaff in Solothurn.

Beide Frauen haben total verschiedene Kindergeburtstage erlebt, total verschiedene Schulen durchlaufen. Beide hatten als Jugendliche Sehnsüchte, wollten was erleben, wollten verstanden und geliebt werden- «Ich habe Theater gespielt und meine Mutter ist kein einziges Mal zuschauen gekommen», erzählt Kapi- oke, eindeutig eine Alienmutter… Und hier, was steht auf diesem Zettel? «Ich darf nicht in den Ausgang und habe deswegen keinen einzigen richtigen Freund», schon wieder, eindeutig ein Alienvater. (Hast Du das geschrieben ? raunt ein Junge vor mir …. Sicher nicht!- die Antwort ) Es geht unter die Haut, die Geschichten, sie kommen einem bekannt vor. Häuten möchte man sich, Belastendes ablegen (Tolle Kostümeà Tüllröcke, die in mehreren Schichten getragen werden und dieses «sich-häuten» symbolisieren) Fazit: Herkunft hat man. Man kommt woher. Immer hat man Eltern, immer zwei, die mehr oder weniger präsent sind, mehr oder weniger betrunken, mehr oder weniger Sonnenschein. Sie, dein Haus, deine Wohnung, deine Strasse, deine Schule und das Universum prägen dich, imprägnieren dich mit dem Geruch deiner Herkunft, einem Geruch, der an dir haftet, den du nicht einfach wechseln kannst wie ein billiges Parfüm. Herkunft ist wie Eltern: Einfach mal am Kiosk zwei neue holen geht nicht.

Die Stück regt zum Nachdenken an, macht Mut, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, nicht nur zu erfüllen, sondern zu gestalten. Weil, ja: Ich komme woher. Aber: Ich gehe auch wohin. Und dieses „wohin“ kann ich entscheiden. Wenn ich weiss, wer ich bin. Wenn ich erkenne, was ich mitbekommen habe an positiven Dingen, wie auch an vielleicht weniger positiven Dingen.

Ein sehr gelungenes, ehrliches, mutiges Jugendstück für alle ab 12 Jahren.

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