Auf welche Lerndefinition kann bei der Gestaltung von wirkungsvollen Lern-/Lehrarrangements zurückgegriffen werden?

Lerndefinitionen beschreiben nicht nur das Lernen, sondern können auch als Richtschnur für die Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements verwendet werden. Ich nehme Bezug auf das Lernverständnis der beiden grossen psychologischen Forschungsrichtungen zum Lernen: der behavioristischen und der kognitionspsychologischen.

 

Zwei sich ergänzende Sichtweisen auf das Lernen

Die behavioristische Sicht auf das Lernen beschreibt präzise, wie Organismen ohne Einsatz der Sprache lernen. Doch damit wird nur ein eng beschränkter Teil des menschlichen Lernens in Aus- und Weiterbildungen gefasst. In Kombination mit der kognitionspsychologischen Sicht auf das Lernen können gut brauchbare Prinzipien für das Gestalten von kompetenzorientierten Lern- / Lehrarrangements beschrieben werden.

Aus behavioristischer Sicht bezieht sich Lernen auf eine Änderung im Verhalten oder in der Verhaltensdisposition ohne Verwendung der Sprache. (Bower & Hilgard, 1983, S. 31). Damit eignet sich diese Definition für das die nichtsprachliche Erziehung und das Lernen am Modell – wirkungsvoller als alle sprachlichen Ermahnungen von Lehrpersonen oder Eltern ist das gelebte Vorbild, beim Nachahmen der Kolleg/innen oder im Fertigkeitsunterricht, wenn eine Tätigkeit ohne Verbalisierung vorgestellt wird und nachgemacht werden soll.

Die kognitionspsychologische Sicht versteht Lernen als innere Prozesse des Problemlösens und des Wissenserwerbs, wobei der Begriff des Wissens umfassend verstanden wird und u.a. deklaratives wie prozedurales Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen mit einschliesst. Dieses Verständnis deckt alle Bereiche des organisierten Lernens in Aus- und Weiterbildungen ab.

Damit ergänzen sich die beiden Sichtweisen auf das Lernen, welche in der pädagogischen  Literatur häufig als Gegenspieler dargestellt werden.

 

Lernen ist ein innerer Prozess, der sich auch in veränderten Verhalten zeigen sollte

Nützlich für das Gestalten des organisierten Lernens ist eine Kombination der behavioristischen und der kognitionspsychologischen Sichtweise.

Lernen ist nach Mandl und Kopp ein aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver, situativer, sozialer und emotionaler Prozess (2005, S. 4f). Mit dem Merkmal der Intentionalität lässt sich das organisierte Lernen vom ungerichteten Sozialisations-Lernen abgrenzen. Dieser Prozess muss zwar nicht zwingend in einer Verhaltensänderung sichtbar werden, doch wird die Forderung unbestritten sein, dass Lernen auch Wirkung haben und zu einem veränderten Verhalten führen soll (Nuissl, 2006, S. 221).

Lernen im Kontext der Aus- und Weiterbildung kann demnach als ein intentionaler, aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver, situativer, sozialer, und emotionaler Prozess beschrieben werden, welcher in einem veränderten Verhalten sichtbar werden soll.

Diese Prinzipien können als Gütekriterien verwendet werden, indem sich die Lehrperson bei der Planung die Frage stellt, inwiefern das jeweilige Merkmal des Lernens in der Unterrichts- oder Kursgestaltung eingelöst wird.

Wenn diese acht Prinzipien erfüllt sind, kann von wirkungsvollen Lern-/Lehrarrangements gesprochen werden.

 

Literaturverzeichnis

Bower, G.H. & Hilgard, E.R. (1983). Theorien des Lernens. Band 2. Stuttgart: Klett-Cotta.

Mandl, H. & Kopp, B. (2005). Aspekte didaktischen Handelns von Lehrenden in der Weiterbildung. München: LMU. (abgerufen am 1.11.2015).

Nuissl, E. (2006). Vom Lernen Erwachsener. Empirische Befunde aus unterschiedlichen Disziplinen. In E. Nuissl (Hrsg), Vom Lernen zum Lehren. Lern- und Lehrforschung für die Weiterbildung (S. 217-232). DIE spezial. 1. Aufl., Bielefeld. (abgerufen am 1.11.2015).

 

Donatus Berlinger, Leiter Abteilung Erwachsenenbildung, PH Luzern

 

2 Kommentare zu “Auf welche Lerndefinition kann bei der Gestaltung von wirkungsvollen Lern-/Lehrarrangements zurückgegriffen werden?

  1. Behavioristische Ansätze:
    Lernen erfolgt primär durch nonverbale Interaktionen und Lernen am Modell. Um an einem Modell lernen zu können braucht ein Lernender ein Vorbild.
    Wie können Vorbilder in einer Klasse konstruiert werden?
    In der Psychologie gibt es verschiedene Tests zur „Typenbestimmung“. Im Belbin-Test kann eine Lehrperson feststellen, welcher Teamtyp Sie sind.
    Des Weiteren wird der Aspekt „sprachliche Ermahnungen“ erwähnt, dies jedoch kein Erfolg auf eine Verhaltensänderung zeigt/bewirkt.

    Kognitionspsychologische Ansätze:
    Verstanden wird Lernen als einen inneren Prozess, ob Problemlösung orientiert oder als Wissenserwerb.
    Kognition = Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Ressourcen und Einstellungen jedes einzelnen Individuums
    Psychologie = Die Lehre der Seele – Ein Lernprozess beruhend auf die Sozialisation, dass so viel heisst wie ungerichteten Lernprozess.

    Wie können die beiden Lerndefinitionen wirkungsvoll zu einem akkuraten Lernarrangements in Kombination transparent gemacht werden?

    Fündig geworden sind wir beim Modell nach A. Collins (1989):
    Cognitive Apprenticeship („kognitive Lehre“) ist eine Methode, die im Sinne von Vorbilder und kognitiver Prozesse für den Lernenden sichtbar gemacht werden sollen.
    Der Cognitive Apprenticeship ist durch die vier Phasen gekennzeichnet:
    • Modeling (Vorführen),
    • Scaffolding (unterstützte Eigentätigkeit),
    • Fading (Nachlassen der Unterstützung durch den Lehrer bei steigender Kompetenz der Lernenden)
    • und Coaching (betreutes Beobachten durch Lehrperson)
    Dieses Modell erfordert eine grosse und situative Rollenflexibilität der Lehrperson.

  2. Kommentar von Christian Haas & Matthias Mosimann (aeb Luzern)
    Auch wir sind der Meinung, dass sich die behavioristische und die kognitionspsychologische Sichtweise ergänzen. Nur nach unserer Ansicht darf die neurobiologische Sichtweise nicht ausgelassen werden, denn sie spielt immer eine grosse Rolle. Sie hilft uns, die behavioristische und kognitivistische Sichtweise besser zu verstehen und uns zu verdeutlichen, was in unserem Gedächtnis bei Lernarrangements abläuft. Dadurch können wir unter Berücksichtigung dieser drei Aspekte optimal an die Lernsituation angepasste Rahmenbedingungen schaffen. Peter Gasser erklärt im Buch „Gehirngerecht Lernen“ (S. 19), dass es mindestens drei Zugänge (behavioristisch, kognitivistisch und neurobiologisch) zum wissenschaftlichen Verstehen des Lernens gibt.

    Spiegelneuronen
    Im Fertigkeitsunterricht ist das Nachahmen überaus wirkungsvoll, denn jedes Individuum lernt durch das Imitieren. Durch blosses Zuschauen einer Handlung kann diese verinnerlicht werden. Es wird innerlich miterlebt, bzw. gespiegelt. Die neuronale Grundlage dieses Modell- und Nachahmungslernens, dass der Kognitions- und Sozialpsychologe Bandura vielfältig untersucht hat, sind die sogenannten Spiegelneuronen. In Fachkreisen ist vermehrt von Resonanz, Imitation und Spiegelung die Rede.

    Lernen ist immer ein emotionaler Prozess. Emotionen werden im limbischen System produziert und moduliert. Der Hippocampus bewertet, ob eine einen Lerninhalt interessant, neu und relevant ist. Die Amygdala signalisiert, ob etwas bedrohlich oder nicht bedrohlich ist. Aus diesem Grund sollten Lerninhalte, welche langzeitgespeichert werden sollen, sich herausheben, interessant, neu und ansprechend sein. Zusätzlich sollte dies von einer Lehrperson vermittelt werden, welcher für die Lernenden ein Vorbild ist und die Grundsätze einer humanistischen Pädagogik vorlebt.

    Literaturverzeichnis

    Berlinger, D., Birri, T. & Zumsteg, B. (2006). Vom Lernen zum Lehren. Bern: hep
    Gasser, P. (2010). Gehirngerecht lernen. Bern: hep
    Gasser, P. (2012). Einführung in die Neuropsychologie. Bern: hep

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