Student 4.0: Digitalisierung der Hochschulbildung

Digitalisierung der Hochschulbildung: Veränderungen für Studierende und Institutionen der Hochschulbildung

Die Digitalisierung hat längst nicht mehr nur alle gesellschaftlichen Bereiche erreicht, sondern auch die Hochschulbildung und verändert damit den studentischen Alltag und auch die strategische Ausrichtung von Hochschulen. Der Alltag von Studierenden ist mehr und mehr digital geprägt und es kommt zu einer immer stärkeren Durchdringung der Räume – die digitalen Medien spielen auch in den analogen Räumen eine immer wichtigere Rolle und werden immer präsenter. Gleichzeitig werden die digitalen Lernräume mit immer mehr sozialen Komponenten ausgestattet[1].

Für Studierende an Hochschulen bringt die Digitalisierung der Hochschullehre viele Veränderungen mit sich: Lernangebote werden vermehrt digital zur Verfügung gestellt, der Präsenzunterricht ändert sich dadurch, es kann dort vermehrt auf Detailfragen eingegangen und das Lernen kann individueller gestaltet werden. „Studierende haben im Rahmen digitaler Lehr- und Lernangebote die Möglichkeit, in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu lernen, und können stärker selbst festlegen, welche Lernmedien sie einsetzen und welche Plattformen sie im Lernprozess nutzen wollen“[2].

Gleichzeitig unterliegen auch die Hochschulen starken Veränderungen. Durch die Digitalisierung stehen sie unter einem noch stärkeren internationalen Wettbewerb. Der weltweite Zugriff auf Informationen erlaubt es Studierenden sich beispielsweise schon im Vorfeld detailliert über eine Hochschule zu informieren und sich mit ihr vertraut zu machen. „Digitale Lehr- und Lernangebote wie beispielsweise Massive Open Online Courses (MOOCs) oder online verfügbare Open Educational Resources (OER) machen nicht nur auf Hochschulen weltweit aufmerksam, sie bieten Studieninteressierten auch die Möglichkeit, sich vorab mit dem Studienangebot einer Hochschule vertraut zu machen und erste Kontakte zu Lehrenden zu knüpfen. Sie eröffnen der Hochschule daher als Marketinginstrumente Differenzierungspotenzial und werden weltweit bereits als solche Instrumente genutzt“[3].

Mathias Winde (2017) betont, dass Hochschulen zudem künftig vor der Herausforderung stehen, „ihren Studierenden fachliche, berufsorientierte und persönlichkeitsbildende Kompetenzen zu vermitteln“. Studierende müssen auf die Arbeitswelt 4.0 bereits im Studium vorbereitet werden, was eine Ergänzung und Weiterentwicklung der klassischen Bildungsziele mit sich bringen solle. „Das für Hochschulen besonders Herausfordernde ist dabei, dass alle drei Kompetenzbereiche für jedes Fach neu durchdacht werden müssen. In allen Kompetenzbereichen spielen digitale Fähigkeiten als Querschnittskompetenzen in Zukunft eine entscheidende Rolle“ [4].

Das Hochschulforum Digitalisierung der deutschen Hochschulrektorenkonferenz hat im September 2016 ein Diskussionspapier mit folgenden 20 Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung veröffentlicht:[5]

  1. Die digitale Hochschule gibt es nicht. Die Digitalisierung stößt einen weiteren, umfassenden Differenzierungsprozess im Hochschulsystem an.
  2. Der intensivierte Wettbewerb im globalen Hochschulmarkt fordert von Hochschulen eine ganzheitliche Kommunikations- und Markenbildungsstrategie.
  3. Mit dem Einsatz digitaler Lehr- und Lernangebote werden neue Zielgruppen erreicht.
  4. Digitale Lehr- und Lernangebote fördern die internationale Studierendenmobilität.
  5. Durch die Digitalisierung weiter Teile der Hochschulwelt werden die Hochschulangehörigen mit veränderten Rollen- und Anforderungsprofilen konfrontiert.
  6. Es entstehen neue Orte des akademischen Lehrens und Lernens.
  7. Bei den Innovationen im Bereich digitaler Lehre handelt es sich nicht um rein technische Innovationen, sondern um didaktische, curriculare und organisatorisch-strukturelle Innovationen.
  8. Erst Kollaboration ist der Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung der Hochschullehre.
  9. Der Einsatz digitaler Medien trägt zur Verbesserung der Hochschullehre bei.
  10. Die umfangreiche Analyse von Daten eröffnet neue Wege des Verstehens von Lehr- und Lernprozessen.
  11. Digitalisierung schafft nicht nur neue virtuelle Lernräume, sondern verändert auch bestehende physische Lernorte.
  12. Hochschulen fehlt es nicht an digitalen Lehr- und Lerninnovationen, der Mangel besteht in ihrer strukturellen und vor allem strategischen Verbreitung.
  13. Die Integration digitaler Medien in Studium und Lehre ist ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen unterschiedlichen Akteuren innerhalb der Hochschulen.
  14. Nicht finanzielle Ressourcen, sondern die Hochschulstrategie entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Digitalisierungsprozesses.
  15. Die Digitalisierung ist kostenintensiv und digitale Bildungsangebote sind nur eingeschränkt skalierbar. Zusätzliche Investitionen sind notwendig und lohnend, weil sie vielfältige Erträge erwarten lassen.
  16. Die überwiegende Drittmittelfinanzierung von Digitalisierungsprojekten steht der nachhaltigen Verankerung von digitalen Medien in Studium und Lehre im Wege.
  17. Die Digitalisierung ermöglicht es Hochschulen, über neue Geschäftsmodelle eigenständige Finanzierungsquellen zu erschließen.
  18. Die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen spitzen die mangelnde Verbreitung digitaler Lehr- und Lernangebote an den Hochschulen zu. Gleichwohl gibt es für viele rechtliche Herausforderungen bereits Lösungen.
  19. Erst eine Neuregelung des Datenschutzes würde die Ausschöpfung der Potenziale digitaler Medien in der Lehre ermöglichen.
  20. Eine Urheberrechtsreform würde es Lehrenden und Lernenden ermöglichen, Lehrmaterialien zeitgemäß zu erschließen, zu nutzen und weiter zu bearbeiten.

[1] Vgl. Vortrag von Barbara Getto zum Thema Hochschule 4.0 – Studium und Lehre im digitalen Wandel, auf https://www.youtube.com/watch?v=vfZHjB4-cos&t
[2] Hochschulforum Digitalisierung (2015). Diskussionspapier – 20 Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung. Arbeitspapier Nr. 14. Berlin: Hochschulreform Digitalisierung. S.12.
[3] Hochschulforum Digitalisierung (2015). Diskussionspapier – 20 Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung. Arbeitspapier Nr. 14. Berlin: Hochschulreform Digitalisierung. S.7.
[4] Winde, Mathias: Hochschulbildung 4.0 als Herausforderung für die Organisation des Studiums und die Institution Hochschule – In: Die Hochschule: Journal für Wissenschaft und Bildung 26 (2017) 1, S. 118

[5] vgl. Hochschulforum Digitalisierung, auf https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/thesen-digitalisierung-hochschulbildung


Digital Human Rights:
Die Digitalisierung der Hochschulbildung aus einer menschenrechtlichen Perspektive

Geht es um die Digitalisierung der Hochschulbildung, geht aus auch darum mit digitalen Geräten ausgestattet zu sein und damit lernen zu können. Aus einer menschenrechtlichen Perspektive stellt sich deshalb die Frage, was mit den weniger bemittelten Studierenden ist, die sich z.B. kein Smartphone oder keinen Laptop leisten können. Wenn nicht jeder und jede gleichermaßen Zugang zur digitalen Bildung hat, schränkt das unweigerlich das Recht auf Bildung ein. Dieser Umstand bezieht sich zwar nicht nur auf die Digitalisierung der Hochschulbildung, sondern auf die Digitalisierung der Bildung allgemein, so hält der UNO-Sonderbeauftragte für das Recht auf Bildung zurecht fest, dass neue Technologien in der Bildung wichtige Vorteile bieten, aber das Recht auf Bildung auch beeinträchtigen können:

„While a digital device-based education can bring advantages in the form of access to a computer or electronic device, when students or schools lack the financial means to obtain access, they fall behind. When only some schools are provided with technology, or when private schools can afford better technology, existing social divisions in education outcomes will increase“[1].

Der durch die Digitalisierung verstärkte ungleiche Zugang zur Bildung zeigt sich sowohl auf globaler Ebene als auch innerhalb von Gesellschaften. Donahoe stellt fest, dass nahezu 65 Prozent der Personen in Entwicklungsländern das Internet nicht nutzen und Frauen generell weniger Zugang zum Internet haben[2]. Dieses Argument, verdeutlicht, dass die ungerecht verteilte Einführung digitaler Technologien derzeit zu einer globalen Ungleichheit führt, das Recht auf Bildung einschränkt und so verstärkt die Menschenrechte bedroht. Aber auch innerhalb von einer Gesellschaft kann die Einführung von digitalen Technologien zu Ungleichheit führen: „The use of digital technology risks divisions within society. Devices such as computers, tablets and smartphones, and broadband services, are required to access the Internet. People in urban areas receive access of better quality first, leaving those in remote areas disadvantaged or cut off” [3].

Es stellt sich also die Frage, wie weniger bemittelte Studierende nicht auf der Strecke bleiben und ihr Recht auf Bildung nicht eingeschränkt wird. Torsten Eymann von der Universität Bayreuth „sagt, hier könne er sich vorstellen, dass Stiftungen diesen Studenten gezielt unter die Arme greifen. Aber die Trennlinien insgesamt würden schärfer werden – zwischen technikaffinen Studenten und Dozenten, die digitalen Neuerungen offen gegenüberstehen und denjenigen, die skeptischer sind. Zudem steige der Investitionsbedarf – Beamer, leistungsfähiges W-Lan, Tonanlagen, Großrechner mit viel Speicherkapazität seien notwendig“[4]

Weiter stellen sich im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Hochschulbildung auch Fragen zum Umgang mit den Daten der Studierenden generell und die sich daraus ergebenen datenschutzrechtlichen Fragen und die Eingriffe in die Privatsphäre. Dazu mehr auf der Themenseite personalisiertes Lernen mit digitalen Medien.


[1] United Nations, Special Rapporteur on the Right to Education (2016). Report of the Special Rapporteur on the right to education (A/HRC/32/37). Geneva, Switzerland. Abgerufen von: https://www.ohchr.org/EN/Issues/Education/SREducation/Pages/AnnualReports.aspx, S.8.
[2] Donahoe, E. (2016). Digital Disruption of Human Rights. Abgerufen von: https://www.hrw.org/news/2016/03/25/digital-disruption-human-rights.
[3] United Nations, Special Rapporteur on the Right to Education (2016). Report of the Special Rapporteur on the right to education (A/HRC/32/37). Geneva, Switzerland. Abgerufen von: https://www.ohchr.org/EN/Issues/Education/SREducation/Pages/AnnualReports.aspx, S.8.
[4] Digitalisierung an den Hochschulen. So verändert die Digitalisierung den Uni-Alltag (2016). Abgerufen von: https://www.wiwo.de/erfolg/hochschule/digitalisierung-an-den-hochschulen-so-veraendert-digitalisierung-den-uni-alltag/12874728.html.


Diskussionsforum und Materialien