«Erinnern macht frei»: Studienreise an die Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem

Im August 2016 reiste unter der Leitung von Dozierenden des Zentrums Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der PH Luzern eine 22-köpfige Gruppe nach Israel und besuchte in Jerusalem die Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem. Im Bereich der Holocaust-Education gilt Yad Vashem als weltweit führende Einrichtung. Bereits zum siebten Mal fand die massgeblich vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation finanzierte Studienreise statt. Wie bereits in den vorangegangenen Jahren setzte sich die Gruppe aus Studierenden und Dozierenden der Pädagogischen Hochschulen Luzern, Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz zusammen. Im Zentrum der Reise stand die Auseinandersetzung mit dem Unterricht zum Thema Holocaust. Dazu standen Führungen, Vorlesungen und Workshops auf dem Programm. Angeboten wurden ausserdem Veranstaltungen zur aktuellen politischen Lage in der Region. So zum Beispiel ein Gespräch mit einer Journalistin und Führungen in Jerusalem und Tel Aviv.

Im Seminargebäude der International School of Holocaust Studies (ISHS) von Yad Vashem hängt an prominenter Stelle ein Poster. Es zeigt das bekannte Foto vom Tor des Konzentrationslagers in Dachau im Süden Deutschlands. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied zur vielfach reproduzierten Fotografie. Statt dem bekannten «Arbeit macht frei» steht dort der Schriftzug «Erinnern macht frei». Auf unserem Weg zum Unterricht gingen wir jeden Tag an diesem Bild vorbei. Jeden Tag rief es uns lakonisch und doch beredt die Bedeutung unseres Tuns in Erinnerung.

Poster mit dem abgeänderten Tor des Konzentrationslagers im Korridor der ISHS. Foto: Dorothea Weiss

Poster mit dem abgeänderten Tor des Konzentrationslagers im Korridor der ISHS. Foto: Dorothea Weiss

Yad Vashem wurde 1953 auf Beschluss des israelischen Parlaments als Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Holocausts gegründet. Sie erhielt den Namen Yad Vashem, was «Denkmal» und «Namen» bedeutet. Die unzähligen Menschen, die im Holocaust ihrer Heimat, ihrer Familien und Freunde und millionenfach auch ihres Lebens beraubt wurden, sollten hier einen Erinnerungsort und ihre Namen – nach Möglichkeit auch ihre Geschichte – wiederbekommen und so dem Vergessen entrissen werden.

Dies geschieht zum einen im «Museum zur Geschichte des Holocaust», in dem mit zahlreichen Dokumenten und Objekten, Fotos und Filmausschnitten sowie Zeitzeugenberichten die Ereignisse nachgezeichnet werden, aber auch an den unterschiedlichen Gruppen gewidmeten Gedenkstätten auf dem weitläufigen Gelände von Yad Vashem, wie zum Beispiel dem Tal der Gemeinden, in dem an die zerstörten jüdischen Gemeinden in ganz Europa erinnert wird, oder mit einem bewegenden Denkmal für die ermordeten Kinder oder mit dem Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten.

Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten; Yad Vashem. Foto: Dorothea Weiss

Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten; Yad Vashem. Foto: Dorothea Weiss

Eine wichtige Aufgabe Yad Vashems ist neben der Erinnerung an die Opfer auch die Dokumentation, Vermittlung und Erforschung der Shoah. Hierzu werden unter anderem vielfältige pädagogische Materialien entwickelt und veröffentlicht, aber auch Veranstaltungen wie das Seminar, an dem wir teilnehmen durften, durchgeführt.
Wir setzten uns in Vorlesungen, Workshops und Führungen über das Gelände mit verschiedenen Aspekten der Shoah und der Holocaust-Education auseinander. Einen besonderen Schwerpunkt bildete dabei die Beschäftigung mit dem pädagogischen Konzept von Yad Vashem. Den Mitarbeitenden der ISHS ist es besonders wichtig, Opfer und Überlebende des Holocaust nicht auf ihre «Opferrolle» zu reduzieren. Dies würde dann geschehen, wenn bei der Vermittlung des Themas nur der Teil ihres Lebens behandelt wird, der in die Zeit des Nationalsozialismus fällt. Jeder dieser Menschen hatte ein Leben vor, während und, mit viel Glück, auch nach der Shoah. Diese Biografien mit Sorgfalt und möglichst vielen Selbstzeugnissen nachzuzeichnen, bedeutet, den Menschen ihre Würde zurückzugeben.

Eine zentrale Frage stellte sich auch während der Studienwoche immer wieder: Wie war eine solche menschliche Katastrophe möglich? Selbstverständlich gibt es auch an einem Ort wie Yad Vashem keine einfachen Antworten darauf. Aber die Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsergebnissen, den Handlungsspielräumen von Beteiligten, dem psychologisch so wirksamen Konzept der «Volksgemeinschaft» und zu weiteren Fragen öffnete den Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus.

Führungen durch Jerusalem und Tel-Aviv sowie eine Exkursion nach Massada rundeten das Programm unserer Gruppe ab und ermöglichten einen Einblick in die Zusammenhänge von Vergangenheit und Gegenwart. Die vielfältigen Anregungen und Erkenntnisse flossen insbesondere in die individuellen Projekte mit ein, an denen die Teilnehmenden des Seminars arbeiten. Dadurch entsteht eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien, die mit dazu beitragen wird, künftigen Generationen dieses so wichtige Thema zu vermitteln. Und eben: «Erinnern macht frei».

Bericht von Barbara Sommer Häller und Dorothea Weiss

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