Bildungsbericht 2016: Luzerner Bildungslandschaft – Stufen, Wege und Ressourcen

Regierungsrat und Bildungsminister Reto Wyss hat an der Diplomfeier der PH Luzern am 18. November 2016 mit der Darstellung und Interpretation statistischer Daten aus dem Bildungsbericht 2016 des Kantons Luzern eine Diskussion lanciert, die mit einer Serie von Beiträgen auf diesem Blog weitergeführt werden soll. Eine Lektüre des Teiles „Kontext Bildung“ des Berichts wirft auch wirtschaftspolitische Fragen auf.

Am 18. November 2016 hat Regierungsrat Reto Wyss im Rahmen einer Diplomfeier der PH Luzern erste Erkenntnisse und Interpretationen aus dem neu erschienenen Luzerner Bildungsbericht 2016 präsentiert. Der interessante Bildungsbericht 2016 umfasst auf 263 Seiten wichtige Zahlen und Fakten, die über die Darstellungen hinaus interpretiert und diskutiert werden können. An dieser Stelle werden in den nächsten Wochen Beiträge zu einzelnen Themen, Zahlen, Interpretationen des Bildungsberichts 2016 erscheinen. Alle Leser/innen sind herzlich eingeladen, über die Kommentare mitzudiskutieren.

Der Luzerner Bildungsbericht 2016

Mit dem Bildungsbericht 2016 legt der Kanton Luzern nach 2010 zum zweiten Mal eine „statistische Gesamtschau der Luzerner Bildungslandschaft“ vor. Die systematische Darstellung des Bildungsgeschehens im Kanton Luzern dient einerseits dem kantonalen Bildungsmonitoring und soll andererseits die Diskussion und Auseinandersetzung über die „Schlüsselressource unseres Wohlstands“ im Kanton fördern. Der Bildungsbericht gliedert sich in drei Teile:(1) Kontext Bildung, (2) Luzerner Bildungslandschaft – Zahlen und Fakten, (3) Ausgewählte Bildungsthemen im Fokus. Er schliesst mit einer Synthese, die das Wesentliche zusammenfasst. Die statistischen Kennzahlen des Kantons Luzern werden teilweise in den Kontext nationaler und internationaler Vergleichsdaten gestellt.

Der hier betrachtete erste Teil „Kontext Bildung“ umfasst die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Organisation, die Finanzierung sowie den Nutzen der Bildung.

Tertiarisierung der Wirtschaft und Bildung

Die Wirtschaft der Schweiz – eine zentrale Kontextvariable von Bildung – befindet sich in einem fortlaufenden Strukturwandel. Dieser ist auch im Kanton Luzern festzustellen, wenn auch weniger ausgeprägt als in anderen Kantonen. Der Anteil des Dienstleistungssektors ist zwar im Wachsen begriffen, jedoch kleiner als im nationalen Durchschnitt (LU: 66.5 % vs. CH: 71.2%). Dies ist bemerkenswert, da es gerade dieser dritte Sektor ist, der besonders viele gut ausgebildete Erwerbstätige nachfragt und eine höhere Wertschöpfung verspricht.

Für den Kanton ist ein hoher Anteil an Personen mit einem Tertiärabschluss (Höhere Berufsbildung, Hochschule) an der Wohnbevölkerung wünschenswert. Diese Personen weisen nicht nur ein tieferes Arbeitslosenrisiko auf, sie sind auch wesentlich seltener von der Sozialhilfe abhängig. Die höhere Produktivität der Personen mit einem tertiären Abschluss wirkt sich zudem positiv auf die Produktivität des Umfelds aus (Spillover-Effekte) und beschert dem Kanton aufgrund der Einkommensgewinne durch die Tertiärbildung eine sogenannte fiskalische Bildungsrendite. Mit Verweis auf eine OECD-Studie aus dem Jahr 2015 weist der Bildungsbericht einen staatlichen Nutzen einer Tertiärausbildung vom eineinhalbfachen der Kosten aus.

Brain-Drain statt Spillover-Effekte

Die Tertiarisierung im Kanton Luzern findet nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Bildung statt. Mit der zunehmenden Nachfrage nach Hochschulabschlüssen an der Universität Luzern, der Pädagogischen Hochschule Luzern und der (Fach)Hochschule Luzern sowie nach Abschlüssen der Höheren Berufsbildung – insbesondere der Eidgenössischen Fachausweise – vergrössert sich auch der Anteil der Wohnbevölkerung mit einem Tertiärabschluss. Dieser liegt aktuell mit 29 Prozent jedoch noch immer hinter dem nationalen Durchschnitt von 31 Prozent. Dieser Anteil konnte in den letzten Jahren vor allem auch dank zugewanderten Personen aus anderen Ländern (Migranten/innen) gesteigert werden.

Zum unterdurchschnittlichen Bevölkerungsanteil mit Tertiärabschluss im Kanton Luzern kommt ein unerwünschter Brain-Drain hinzu: Der Kanton Luzern weist eine Pendlerbewegung auf, die mehr Gutgebildete aus dem Kanton Luzern in andere Kantone zur Arbeit führt als umgekehrt. Der Luzerner Arbeitsmarkt scheint offensichtlich zu wenig attraktiv zu sein, um die gut gebildeten Erwerbstätigen im Kanton zu halten und weitere „Talente“ anzuziehen. Darauf deuten auch die im Bildungsbericht dokumentierten Einkommensunterschiede hin. So ist der Medianlohn einer Person mit Abschluss auf Tertiärstufe im Kanton Luzern um 500.-/Monat tiefer als der Medianlohn der Grossregion Zentralschweiz und 1‘200.-/Monat tiefer als im Kanton Zürich.

Orientierung an der Bildungspolitik

Das Ungleichgewicht zwischen dem Angebot an Arbeitskräften mit einem Tertiärabschluss im Kanton Luzern und der Nachfrage nach ihnen durch die Wirtschaft wirft vor dem Hintergrund des nationalen Fachkräftemangels (vgl. Kägi, 2014) Fragen auf. Bildet die Tertiärstufe die „falschen“ Leute aus? Oder hinkt der wirtschaftliche Strukturwandel in Luzern der gesellschaftlichen Entwicklung in der Bildung hinterher? Ein Blick auf die Tertiärabschlüsse zeigt deutlich, dass an den Luzerner Bildungsinstitutionen der Tertiärstufe kaum Studierende in „Orchideenfächern“ ausgebildet werden, dafür umso mehr in den Bereichen Technik, Wirtschaft, Architektur, Recht, Bildung, Baugewerbe, Gastgewerbe, Gesundheit, Management usw.

Die anhaltende Bildungsexpansion im Kanton Luzern, die voranschreitende Positionierung als Hochschulkanton mit den drei Hochschultypen, das breite Angebot in der höheren Berufsbildung sowie die Volksschule, die einen nationalen Spitzenplatz einnimmt, führen den Kanton langsam zu einem Bildungskanton von nationaler Bedeutung. Jetzt ist es an der Wirtschaft nachzuziehen. Die Wirtschaftspolitik im Kanton Luzern täte gut daran, sich stärker an der Bildungspolitik zu orientieren, die Tertiarisierung voranzutreiben und die Forschungsförderung auszubauen. Sie könnte die gut gebildete Wohnbevölkerung als Standortvorteil nutzen und versuchen, die Hochqualifizierten im Kanton zu halten. Dies hätte nicht zuletzt Spillover-Effekte zur Folge, die wirtschaftlich erwünscht sind.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

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