Wie integrativ ist die Berufsbildung?

Mit der zweijährigen Grundbildung und einer fachkundigen individuellen Begleitung (FiB), für deren professionelle Umsetzung sich immer mehr engagierte Berufsfachschullehrpersonen weiterbilden, sind positive Zeichen für die integrativen Bestrebungen der Berufsbildung gesetzt. Auch die vielfältigen Angebote an Förder- und Stützkuren nebst dem regulären Unterricht an den Berufsfachschulen verdeutlichen diese Bestrebungen klar. Doch welche Effekte erzielen diese Massnahmen für die betroffenen Lernenden und wie integrativ ist die Berufsbildung tatsächlich? Diesen Fragen geht die PH Luzern in ihren Forschungsprojekten nach.

 

Die Schweiz ist durch die 2014 ratifizierte UN- Behindertenkonvention verpflichtet dafür zu sorgen, das Recht der Menschen auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen und durch die Gewährleistung eines integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen sicherzustellen (Art. 24 Abs. 1 und 5). Denn Menschen mit Behinderungen (geistig, körperlich, psychisch) können in der Bildung eine Benachteiligung erfahren, wenn ihren besonderen Bedürfnissen nicht Rechnung getragen wird. Es besteht dann beispielsweise die Gefahr, dass sie in weniger anspruchsvolle Ausbildungen abgedrängt werden, die ihrem intellektuellen Potenzial nicht entsprechen und so ihre besonderen Bedürfnisse die Entwicklung ihrer individuellen Stärken einschränken bzw. verhindern. Das Gesetz spricht sich klar gegen jede Form von Diskriminierung aus und fordert explizit Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligung von Lernenden mit Behinderung beim Lernen und bei Qualifikationsverfahren in der beruflichen Grundbildung und in der höheren Berufsbildung (Bundesverfassung Art. 8 Abs. 2; BehiG Art. 2 Abs. 5, Art. 5 Abs. 1, 2; UN-Behindertenrechtskonvention, Art. 27; BBG Art. 3, 18, 21; BBV Art. 35).

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Kadertagung «Lehrplan 21 und Sekundarstufe II» – Das Gespenst der Kompetenzorientierung

Mit dem Lehrplan 21 ist die Kompetenzförderung zu einem zentralen Paradigma der Unterrichtsentwicklung geworden. In den kommenden Jahren werden Jugendliche in die Sekundarstufe II übertreten, die noch mehr als bisher erweiterte Lehr- und Lernformen kennengelernt haben und gute Informatikkenntnisse besitzen. Sie fordert Mittelschulen und Berufsfachschulen methodisch-didaktisch, aber auch von den Lerninhalten heraus. An einer Kadertagung in Luzern ging man diesen Herausforderungen nach. Eine zentrale These: Der Begriff der Kompetenzorientierung markiert keinen Entwicklungsbruch, sondern bildet Ausdruck und Katalysator für die Weiterentwicklung von Schule.

(Text Daniel Fleischmann)

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Ein Gespenst geht um in den Schulen der Schweiz, das Gespenst der Kompetenzorientierung. Es löst, wie der Kommunismus im Marx-Zitat, Emotionen aus, Hoffnungen und Befürchtungen, Zustimmung und Skepsis. Als sie ihre «Kadertagung Lehrplan 21 und Sekundarstufe II» planten, hatten die Veranstalter auf 70 Teilnehmende gehofft – am Schluss kamen 150 an die PH Luzern, rund zwei Drittel davon aus den Gymnasien. Eingeladen hatte die Schweizerische Konferenz der Weiterbildungsverantwortlichen der Sekundarstufe II. Im Zentrum der Tagung standen ein Referat von Kurt Reusser, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft (Universität Zürich), fünf Workshops sowie zwei moderierte Gesprächsrunden. Weiterlesen

Kompetenzorientierung auf der Sekundarstufe II – zwischen Handlung und Skepsis

Beitrag: Richard Meier, Studiengangsleiter CAS FiBplus

Die Kompetenzorientierung ist in der Berufsbildung nichts Neues. Lernende, die neu mit dem LP21 von der Volksschule in die Sekundarstufe II übertreten, bringen neue Voraussetzung mit, an denen die Berufsbildung ansetzen will. Insbesondere das Prüfen von Handlungskompetenzen bleibt jedoch eine Herausforderung, der sich die Berufsbildung stellt.

Am 26. Januar wurde an der PH Luzern im Namen der Schweizerischen Konferenz der Weiterbildungsverantwortlichen der Sekundarstufe ll eine Kadertagung zu den Auswirkungen des Lehrplan 21 auf die Sekundarstufe ll durchgeführt. Daraus war zu entnehmen, dass der Kompetenzbegriff als Leitidee zur Umschreibung einer modernen, fachliche und überfachliche Inhalte umfassenden, Bildungszielsetzung dient. Während das Konzept einer kompetenzorientierten Unterrichtsgestaltung in den Praxisfeldern der Volksschule und der Berufsbildung eine gute Akzeptanz geniesst, begegnet man ihm vor allem in der Gymnasiallandschaft immer noch mit Skepsis. Es ging auch darum, ob mit den überfachlichen Kompetenzen der Volksschule wirklich die anschlussfähigen Schlüsselkompetenzen im Übergang zur beruflichen und gymnasialen Bildung vorhanden sind respektive welche Erwartungen an die Entwicklung der überfachlichen Kompetenzen von der Seite der Berufsbildung als „Abnehmende“ bestehen. Weiterlesen

Zehnkämpfer der Bildung: Lehrpersonen für die Maturitätsschulen im Allgemeinbildenden Unterricht ABU an Berufsfachschulen

ABU

Simon Zurbrügg ist Gymnasiallehrer für Geschichte, Berufsfachschullehrer für den allgemeinbildenden Unterricht ABU und Doktorand. Wie kam es dazu, dass der Historiker mit gymnasialer Lehrbefähigung vor  vier Jahren eine zusätzliche Ausbildung für eine weitere Lehrbefähigung in der Welt der Berufsbildung am Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB in Angriff nahm? Sein Entscheid war doppelt motiviert: Er hatte als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Analyse von Bildungsplänen Einblick in die Berufsbildung gewonnen und ein Interesse an der Vielfalt von Berufswelten entwickelt. Er wusste auch, dass die Job-Chancen an Maturitätsschulen für einen Geschichtslehrer nicht allzu rosig sind. Als er wenig später die Gelegenheit bekam, als stellvertretender ABU-Lehrer an einer Berufsfachschule zu unterrichten, stand für ihn fest, dass er (diplomierter) Profi für Allgemeinbildung in der Berufsbildung werden wollte – was er heute auch tatsächlich ist.

Faszinierend findet Zurbrügg am ABU, «als eine Art Zehnkämpfer der Bildung verschiedene Inhalte vermitteln zu können». Der thematisch organisierte ABU fordert ihn heraus, alltagsnahe Situationen mit den Lernenden aus verschiedensten Perspektiven zu beleuchten – beispielsweise aus rechtlicher, ökonomischer und ökologischer, aber auch aus ethischer Sicht – und dabei immer auch die Sprache und Kommunikation der Lernenden zu fördern. «Anders als am Gymnasium, wo mehrheitlich deduktiv unterrichtet wird und oft eine abstrakte Ebene Ausgangspunkt der Vermittlung ist, versucht man im ABU, an das lebensweltliche Vorwissen der Lernenden anzuknüpfen und erst in einem zweiten Schritt auf die Makroebene zu gelangen.» Weiterlesen