Binnendifferenzierung berufliche Fachdidaktik am Beispiel der Elektroberufe

Die berufliche Grundbildung hat zum Ziel, Jugendliche für einen Beruf zu qualifizieren. Entsprechend erwarten Betriebe, dass Berufsanfänger/innen nach ihrer Berufslehre über die notwendigen Qualifikationen für eine selbständige und kompetente Berufsausübung verfügen. Während der Lehrjahre eignen sich die Lernenden in der dualen Berufsbildung ihre Qualifikationen an den drei Lernorten Betrieb, Berufsfachschule und in den überbetrieblichen Kursen an. Die Primäre Aufgabe der Berufsfachschulen ist, das notwendige theoretische Grundwissen (berufskundliche Bildung) zu vermitteln. Gemäss Bildungsplan der Elektroinstallateur/in EFZ heisst das Leistungsziel beispielsweise: Die Lernenden berechnen Energie, Leistung und Wirkungsgrad von nichtelektrischen Systemen. Es ist eine gut belegte Tatsache, dass einerseits nicht alle Jugendlichen in den Berufsfachschulen mit gleicher Schulbildung (Sek A, B, C) antreten und anderseits sie auch nicht das gleiche Leistungsniveau während der Lehrzeit erreichen können. Um die Jugendlichen auf das höchst mögliche Niveau zu fördern und zu entwickeln, ist ein binnendifferenzierter Fachunterricht in den Berufsfachschulen notwendig. Mit einer Binnendifferenzierung können die individuell unterschiedlichen Gelingensfaktoren berücksichtigt werden. Gemäss Geissel (2008) stehen die zu überwindenden Hürden von Lernenden in Elektroberufen im Zusammenhang mit ihrem aktuellen Leistungsniveau. Je nach Leistungsniveau dominieren andere Hürden.

Eine zentrale Grösse ist das Vorwissen der Jugendlichen, und zwar sowohl das gut formulierbare Faktenwissen (deklaratives Wissen) wie auch das handlungsbezogene (prozedurales) Wissen. Ausbildungsbetriebe können also mit gezielter Vermittlung von deklarativem Fakten- und prozessualem Wissen bei der praktischen Arbeit und Ausbildung in der Praxis wesentlich zum Erfolg im Fachunterricht in den Berufsfachschulen beitragen. Die Lehrpersonen in den Berufsfachschulen bauen wenn immer möglich auf dem Vorwissen der Jugendlichen auf und differenzieren den Unterricht entlang zwei oder drei unterschiedlichen Leistungsniveaus. Geissel (2008) zeigt für die Elektroberufe, dass Jugendliche auf dem untersten Leistungsniveau im Fachunterricht auch am Aufbau ihrer allgemein-mathematischen Grundkompetenzen arbeiten sollten. Es sind oft die mangelnden mathematischen Grundkompetenzen, die dem Überschreiten des untersten Niveaus im Wege stehen. Bei den Jugendlichen am unteren Rand des Leistungsniveaus sollte zudem das berufsspezifische Interesse gefördert werden. Gemäss Pädagogischer Interessenstheorie müsste das Kompetenzerleben, das Autonomieerleben und soziale Einbettung (vgl. Krapp, 1998) verstärkt werden.

Bei den Jugendlichen auf dem mittleren Niveau ist es gemäss Geissel (2008) die Lesekompetenz, die über den weiteren Erfolg entscheidet. Bei diesen Jugendlichen gilt es, auch im Fachunterricht vermehrt Lesegelegenheiten zu schaffen um damit ihr Textverständnis, insbesondere für Sachtexte zu fördern. Die Jugendlichen sollten also nicht – z.B. durch mündliche Aufgabenstellungen – vom Lesen befreit werden. Bei der Auswahl oder beim Erstellen von Texten (z.B. bei Aufgaben) sollte gerade bei technischen Berufen darauf geachtet werden, dass es sich um kurze Fachtexte mit technischen Zeichnungen, Tabellen und Diagrammen handelt. Schliesslich können in heterogenen Berufsfachschulklassen die stärksten Jugendlichen durch einen stark selbstgesteuerten-handlungsorientierten Unterricht gefördert werden. Diese methodische Gestaltung wirkt sich ausschliesslich bei den besten Berufsfachschüler/innen positiv aus.

Der berufskundliche Unterricht in den Berufsfachschulen stellt heute hohe Anforderungen an die Lehrpersonen auch in der beruflichen Fachdidaktik, die sich zunehmend ausdifferenziert.

Dr. Jürg Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

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