Bildung 4.0 heisst: Digitalisierung mit politischer Bildung

Begriffe wie Industrie 4.0, Roboter, Künstliche Intelligenz, Big Data oder auch eLearning fordern die Schulen sowie Lehrpersonen nicht nur in der Gestaltung des Unterrichts und Themen wie Medien und Informatik heraus, sondern auch in der politischen Bildung. In welcher Welt unsere Kinder einst leben werden, ist nicht einfach eine Frage der technischen Entwicklung, sondern das Ergebnis eines politischen Prozesses. Darauf muss die Schule, die Kinder und Jugendlichen vorbereiten.

Eine Gruppe von Touristen fliegt in einem Space Shuttle durch das All und die Menschen geniessen den faszinierenden Blick auf den blauen Planeten Erde. Das Bild, das kurz nach der Mondlandung 1969 entstanden ist, hat mich als Kind extrem fasziniert. Heute dient mir dieses Bild oft als Versicherung dafür, dass die durch Technologien induzierten Phantasien doch nicht einfach so Wirklichkeit werden. Meine Faszination für „Science Fiction“ oder für die Frage, wie die Welt in Zukunft aussehen wird, ist geblieben. Heute frage ich mich aber auch, worauf Kinder und Jugendliche vorbereitet werden müssen?

Lehrpersonen und Schulen nehmen bei der Bewältigung der Herausforderungen der „Digitalisierung der Welt“ eine zentrale Rolle ein. Sowohl der Bericht des Bundesrates über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft vom 11. Januar 2017, wie auch das Digitale Manifest für die Schweiz von digitalswitzerland vom 24. Januar 2017 weisen darauf hin. Die Herausforderungen sind vielschichtig, wie wir in der ökonomischen und soziologischen Literatur lesen können (z.B. Bessen, 2015; Brynjolfsson und McAfee, 2011, Cowen, 2013; Ford 2015; Frase 2016; Frey und Osborne, 2013; Kucklick, 2014). Frey und Osborne (2013) prognostizieren beispielsweise, dass knapp die Hälfte der Arbeitsplätze in den nächsten 10 bis 20 Jahren aufgrund der „Computerisierung“ verschwinden bzw. durch Maschinen ersetzt werden. Dabei würden nicht nur einfache Routinejobs, sondern auch Arbeiten von Juristen und Juristinnen, Ärzten und Ärtzinnen oder Journalisten und Journalistinnen ersetzt werden. Mit dieser Veränderung des Arbeitsmarktes wird es, so die Prognosen vieler namhafter Ökonomen und Soziologen (z.B. Frank, 2016; Piketty, 2013), zu einer Polarisierung bei den Jobs und zunehmender sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft kommen. Am einen Ende finden sich die gut bezahlten Jobs, bei welchen die Mitarbeitenden mit intelligenten Systemen zusammenarbeiten und deren zunehmende Möglichkeiten (z.B. Künstliche Intelligenz oder Big Data) mit komplementären Kompetenzen ergänzen. Am andern Ende finden sich die Jobs in Niedriglohnbereichen, die zwar Computer und Programme nutzen, nicht aber in Kollaboration mit ihnen treten. Die neue entstehende Ungleichheit, so Cowen (2013), wird vor allem durch die Bildung mit den „digitalen Kompetenzen“ bestimmt. Das heisst, wer künftig eine gut bezahlte, interessante und sichere Stelle sucht, muss auch hervorragende Medien- und Informatik-Kompetenzen mitbringen.

Mehr Medien- und Informatik-Unterricht auf allen Stufen

Ausgehend von diesen Prognosen stellt sich erstens die Frage, wie Schulkinder auf diese Herausforderungen vorbereitet werden. Mit dem Modullehrplan Medien und Informatik des Lehrplans 21 wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, die Kinder und Jugendlichen auf eine digitalisierte Welt vorzubereiten, unternommen. Der Umgang mit neuen Medien sowie der Informatikunterricht werden ausgebaut und sollten zu einem integralen Teil der Volksschulbildung werden. Mit dem Lehrplan 21 werden also wichtige Grundlagen für das Leben, Lernen und Arbeiten in einer digitalisierten Welt gelegt. Etwas weniger deutlich zeigt sich, wie auf der Sekundarstufe II, der höheren Berufsbildung oder an den Hochschulen den Anforderungen durch die Digitalisierung begegnet wird. Trotz dieser ersten Schritte des Lehrplans 21, der „Digitalisierung“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken, bin ich persönlich skeptisch, ob diese Bemühungen ausreichen.

Die zweite Frage, die jedoch der ersten vorgelagert ist, lautet: Wie können die Lehrpersonen darauf vorbereitet werden, ihre Schülerinnen und Schüler in den Medien- und Informatik-Kompetenzen zu fördern und das Interesse an der Informatik und den damit verbundenen Möglichkeiten zu wecken? Diese Frage ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass Lehrpersonen in der Vergangenheit weder während ihrer Gymnasialzeit noch in der Ausbildung zur Lehrperson Fachkompetenzen in Informatik in dem Masse aufbauen konnten, wie sie dies in Fächern wie Deutsch, Mathematik oder Geschichte tun konnten.

Die PH Luzern hat den Themen Medien und Informatik in ihren Ausbildungsstudiengängen mehr Gewicht gegeben, um künftige Lehrpersonen mit wichtigen Grundkompetenzen in Medien und Informatik sowie der damit verbundenen Fachdidaktik auszustatten. Aktuell werden mehrere hundert Lehrpersonen in einem Intensivkurs auf die Einführung des Modullehrplans Medien und Informatik vorbereitet. Diese basale Qualifizierung aller Lehrpersonen ist ein wichtiger Schritt, die Digitalisierung heute in die Schulstuben zu bringen. Der Intensivkurs steht jedoch erst am Anfang einer Reihe von Qualifizierungsmöglichkeiten für Lehrpersonen im Bereich Medien und Informatik. Mit einem CAS Medien und Informatik für Lehrpersonen können ab Herbst 2017 die notwendigen Kompetenzen weiter aufgebaut und vertieft werden. Mit Veranstaltungen wie dem Weiterbildungskongress (WBK) zum Thema „Hands on! Digitalisierung in der Berufs- und Erwachsenenbildung“ bietet die PH Luzern ergänzende Angebote auch für Dozierende und Lehrpersonen der Tertiärstufe und Sekundarstufe II.

Digitale Zukunft ist politisch

Auch wenn prominente Auguren wie Martin Ford oder Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee ein für viele Menschen düsteres Bild der digitalen Zukunft zeichnen, muss weder in einen digitalen Hyperaktivismus noch in einen lähmenden Fatalismus verfallen werden. Denn, wie die „digitale Zukunft“ aussieht und ob nur wenige oder alle von den technischen Innovationen profitieren können, ist keine rein technische, sondern vor allem eine politische Frage. Es werden politische Prozesse sein, die darüber entscheiden, wie unsere digitale Zukunft aussehen wird. Es ist also an den Schulen, die Kinder und Jugendlichen vor allem auch auf die aktive Teilnahme und Gestaltung dieser politischen Prozesse und derer kritischen Hinterfragung vorzubereiten. Dank dem Lehrplan 21 hat auch die politische Bildung in der Volksschule an Gewicht gewonnen, was eine logische Notwendigkeit der Digitalisierung ist. Denn die digitale Zukunft darf nicht einzig in den Labors von Google, IBM oder facebook bestimmt werden. Es braucht das politische Pendant zu diesen Unternehmen in Form von technologisch und politisch mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die im Rahmen demokratischer Prozesse die digitale Zukunft gestalten wollen. Wie eine Gesellschaft in der „digitalen Zukunft“ aussehen kann, findet sich in vielen guten Science Fiction Romanen oder Filmen. Sie liefern Zukunftsbilder, wie jenes des Weltraumtourismus für eine kleine Elite, über die es sich lohnt, in der Schule zu diskutieren.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

Twitter: @juergarpagaus

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