Was bedeutet «Erwachsenenbildung»?

Mit dem Begriff Erwachsenenbildung wird die formale, nichtformale und informelle Bildung Erwachsener bezeichnet. Erwachsenenbildung schliesst den Tertiär- wie Quartärbereich mit ein. Zur Bildung Erwachsener gehören damit die höhere Berufsbildung, die Hochschulbildung, die berufliche und allgemeine Weiterbildung sowie Bildungsprozesse ausserhalb organisierter Lernsettings. Die Pädagogischen Hochschulen der swissuniversities positionieren sich in ihrer Strategie 2017-2020 als pädagogische und didaktische Kompetenzzentren auch in der Erwachsenenbildung. An der PH Luzern werden dazu verschiedene Aus- und Weiterbildungsstudiengänge angeboten wie u.a. der Weiterbildungsmaster in Erwachsenen- und Berufsbildung (MAS A&PE), der CAS Erwachsenendidaktik oder der Diplomstudiengang Dozent/-in an Höheren Fachschulen.

Formale, nichtformale und informelle Bildung, Tertiär- und Quartärbereich

Die gebräuchlichste Klassifikation für Bildungsaktivitäten ist diejenige der UNESCO, der OECD und der EU. Diese Klassifikation hat auch die Schweiz übernommen. Die Kategorisierung erfolgt nach dem Institutionalisierungsgrad. «Dabei wird nicht primär zwischen Grundausbildung und Weiterbildung unterschieden, sondern zwischen formaler, nichtformaler und informeller Bildung, die über das gesamte Leben hinweg stattfinden kann.» (SBKF, 2014, S. 267).

Als formale Bildung werden die staatlich geregelten Abschlüsse im hierarchisch strukturierten Bildungssystem bezeichnet, welches sich in Primar-, Sekundar- und Tertiärstufe gliedert. Beispiele sind: Eidg. Fähigkeitszeugnis, Matura, Abschlüsse der höheren Berufsbildung, EDK-Lehrdiplome, SBFI-Lehrdiplome für Berufsfachschulen oder höhere Fachschulen, Hochschulabschlüsse wie Bachelor, Master oder Doktorat. Die tertiäre Bildung umfasst mit Tertiär A die Hochschulbildung, mit Tertiär B die höhere Berufsbildung.

Die nichtformale Bildung betrifft alle strukturierten Bildungsaktivitäten ausserhalb des formalen Bildungssystems. Sie wird auch als Quartärstufe bezeichnet. Das Schweizerische Weiterbildungsgesetz (WeBiG) regelt ausschliesslich diesen Bereich. Nichtformale Bildungsaktivitäten finden in einem organisierten und strukturierten Rahmen im beruflichen oder ausserberuflichen Kontext statt. Beispiele sind: Kurse im Betrieb oder bei einem Bildungsanbieter, Privatunterricht, ein NDK oder NDS an einer höheren Fachschule oder formale Abschlüsse, wie Berufsprüfungen oder höhere Fachprüfungen. Zur nichtformalen Bildung zählen auch die Weiterbildungsstudiengänge an den Hochschulen in der Schweiz, die zu CAS- (z.B. CAS Erwachsenendidaktik) oder MAS-Abschlüssen (z.B. MAS in Adult and Professional Education – MAS A&PE) führen.

Die informelle Bildung schliesslich umfasst die vielfältigen individuellen Formen von Lernaktivitäten, die ausserhalb eines organisierten Lernsettings oder einer organisierten Lernbeziehung stattfinden, wie z.B. learning on the job, Lernen mit Lehr- und Lernmitteln, Beobachtungen, Experimentieren etc. – die Formen sind vielfältig (vgl. SBKF, 2014, S. 267f).

Weiterbildung

Mit dem Begriff Weiterbildung wird aus Sicht des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB) die berufliche wie allgemeine Weiterbildung bezeichnet, welche auch nichtformales wie informelles Lernen mit einschliesst (vgl. SVEB, 2017).

Die statistischen Erfassungen der Weiterbildungsaktivitäten in der Schweiz wiederum beschränken sich auf die nichtformale Bildung, da die informelle Bildung schwer zu operationalisieren ist und für die Politik auch weniger relevant ist als die formale oder nichtformale Bildung (vgl. SBKF, 2014, S. 268).

Seit dem 1. Januar 2017 ist in der Schweiz das Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG) vom 20. Juni 2014 in Kraft. Zweck des WeBiG ist die Stärkung der Weiterbildung als Teil des lebenslangen Lernens im Bildungsraum Schweiz (vgl. WeBiG, 2014, Art. 1 bis 3). Die Weiterbildung in der Schweiz wird damit erstmals von einem Bundesgesetz geregelt und gesetzlich in das nationale Bildungssystem eingeordnet. Das Gesetz definiert die entsprechenden Aufgaben von Bund und Kantonen. Das WeBiG bezieht sich als Rahmengesetz auf die gesamte non-formale Bildung, das heisst auf alle Weiterbildungsangebote, die nicht zu einem staatlich anerkannten Abschluss führen (vgl. SVEB, 2017).

Mit dem WeBiG wird somit der Begriff der Weiterbildung auf die nichtformale Bildung fokussiert. Die formale Bildung ist in staatlicher Obhut, das informelle Lernen wird der Verantwortung des Individuums überlassen. Die Bestimmung des Begriffs Weiterbildung ist deshalb von Bedeutung, da dieses Gesetz u.a. Fördermittel und Zuständigkeiten in der Schweiz regelt.

Erwachsenenbildung

«Der Begriff ‘Erwachsenenbildung kam erst um 1920 durch Übersetzung des englischen Begriffs ‘adult education’ in Gebrauch. Er löste nach 1945 den bis dahin dominierenden, aber nach der NS-Zeit ideologisch befrachteten Begriff ‘Volksbildung’ ab (Pongratz, 2010, S. 19).

Die Schweizerischen Koordinationsstelle für Weiterbildungsforschung (SKBF) setzt im Bildungsbericht 2014 den Begriff Weiterbildung mit Erwachsenenbildung gleich. Die beiden Begriffe werden als ein bestimmter Aspekt des breitgefassten Konzepts des lebenslangen Lernens begriffen (vgl. SBKF, 2014, S. 266f). Weiterbildung wird mehr mit beruflicher Bildung assoziiert, Erwachsenenbildung mehr mit Allgemeinbildung. Die beiden Begriffe werden zunehmend synonym verwendet (vgl. SVEB, 2017).

Die Wertung von berufsorientierter Erwachsenenbildung zeigte sich z.B. in der Schweiz darin, dass die 1951 gegründete ‘Schweizerische Vereinigung für Erwachsenenbildung’ (SVEB) Anfang 2000 ihren Namen auf ‘Schweizerischer Verband für Weiterbildung’ änderte. Das Akronym selbst blieb bestehen.

Weiterbildung im Sinne des WeBiG kennzeichnet ausschliesslich den nichtformalen Aspekt der Erwachsenenbildung. Dies ist im Hinblick auf das Bestimmen von Fördermitteln und Zuständigkeiten von Bedeutung und gerechtfertigt. Das Konzept des lebenslangen Lernens umfasst jedoch formale, nichtformale wie informelle Bildung. Dem ist bei der Bestimmung des Begriffs der Erwachsenenbildung Rechnung zu tragen.

In Deutschland wurde Erwachsenenbildung als die «Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich lang ausgedehnten ersten Bildungsphase» (Deutscher Bildungsrat, 1970, zit. nach Pongratz, 2010, S. 19) definiert.

In Österreich wurde der Begriff der Erwachsenenbildung im Zusammenhang mit der Einführung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung „Ö-Cert“ im Jahre 2011 folgendermassen definiert: «Die Erwachsenenbildung (synonym Weiterbildung) umfasst alle Formen des formalen, nicht-formalen und zielgerichteten informellen Lernens durch Erwachsene nach Beendigung einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase unabhängig von dem in diesem Prozess erreichten Niveau. Erwachsenenbildung/Weiterbildung umfasst alle beruflichen, allgemeinbildenden, politischen und kulturellen Lehr- und Lernprozesse für Erwachsene, die im öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Kontext von anderen und/oder selbst gesteuert werden» (Gruber, 2013a). Dabei wird «der Status des Erwachsenen nicht anhand eines rechnerischen Alters, sondern durch eine klare Grenze zwischen Statuspassagen (Ende Schulbildung bzw. Berufsausbildung/Beginn Erwachsenenbildung) bestimmt» (Gruber, 2013b).

Lebenslanges Lernen und Erwachsenenbildung

Der Europäische Rat hat 2011 in seiner Entschliessung über eine erneute europäische Agenda für die Erwachsenenbildung den Begriff Erwachsenenbildung folgendermassen bestimmt: «Lebenslanges Lernen beginnt im Vorschulalter und reicht bis ins Rentenalter. Die Erwachsenenbildung ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Kontinuums lebenslangen Lernens und umfasst das gesamte Spektrum formalen, nicht formalen und informellen Lernens Erwachsener im Rahmen der allgemeinen und der beruflichen Bildung nach Abschluss ihrer ursprünglichen allgemeinen und beruflichen Bildung» (Rat der Europäischen Union, 2011). Der Europäische Rat setzte sich 2011 in seiner «Entschliessung über eine erneuerte europäische Agenda für die Erwachsenenbildung» explizit für eine Stärkung und Förderung der Erwachsenenbildung ein. Der Begriff der Erwachsenenbildung (engl. adult education) nimmt damit im europäischen Raum eine ausgesprochen hohe Bedeutung ein.

Die swissuniversities und damit auch die Pädagogischen Hochschulen der Schweiz richten sich in ihrer Begriffsbestimmung des lebenslangen Lernens nach der Definition der Europäischen Kommission, die darunter «alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient» versteht.

Begriffsverwendung ‘Erwachsenenbildung’ an der Pädagogischen Hochschule Luzern

Das Verständnis des Begriffs Erwachsenenbildung in den Studiengängen für Erwachsenenbildung wie dem MAS in Adult and Professional Education (MAS A&PE) an der PH Luzern orientiert sich an der europäischen Begriffsbestimmung. Mit Erwachsenenbildung wird an der PH Luzern das gesamte Bildungsspektrum Erwachsener bezeichnet: die formale, nichtformale und informelle Bildung nach Abschluss der Sekundarstufe. Die Studierenden in den Studiengängen im Bereich der Erwachsenenbildung der PH Luzern werden somit für die formalen, nichtformalen und informellen Bildungsbereiche sowie für die Tertiär- und Quartärstufe qualifiziert. Dazu gehören auch die Hochschuldidaktik (wie z.B. CAS Erwachsenendidaktik) und die Qualifizierung von Berufsbildungsverantwortlichen in der höheren Berufsbildung (wie z.B. dipl. Dozent/-in an Höheren Fachschulen).

Donatus Berlinger 
Leiter Abteilung Erwachsenenbildung PH Luzern

Literatur

 

 

 

 

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