Weiterbildung im Dienste der Schule, des Berufs und der eigenen Berufsbiografie

Weiterbildung ist etwas sehr persönliches, da immer auch die Kosten zulasten und die Erträge zugunsten der Individuen gehen. Obwohl Erwerbstätige, Berufsverbände und Arbeitgeber an der Weiterbildung interessiert sind, divergieren ihre Interessen in der Ausrichtung der Weiterbildung. Lehrpersonen sind deshalb angehalten, ihre Berufsbiografien mit unterschiedlichen Weiterbildungen aktiv selber zu gestalten.

In der sich stetig verändernden Welt gehört die Anpassung von Kompetenzen an die Veränderungen zum Alltag. Meist finden inkrementelle Adaptionen statt, die uns kaum als Lernen bewusst werden. Wir sprechen erst dann vom (lebenslangen) Lernen, wenn wir bewusst formal, non-formal oder informell lernen, um die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Der Anstoss des Lernprozesses kann intrinsisch motiviert sein, wenn beispielsweise ein Stellenwechsel bewusst angestrebt wird. Der Lernprozess kann aber auch extrinsisch motiviert sein. Werden zum Beispiel neue Qualifikationen in einem Betrieb oder in einer Schule aufgrund technologischer oder organisatorischer Veränderungen erforderlich, dann wird der Lernprozess von aussen angestossen. Unabhängig der Motivation des Lernens sind sowohl die Mühen wie auch die Erträge des Lernens an die lernende Person gebunden.

Berufliche, betriebliche oder allgemeine Weiterbildung?

Berufsleute fragen sich stets, wie sie sich weiterbilden müssen, um sich ihre Employability über die Zeit zu bewahren. Dabei müssen sie sich auch zwischen betrieblicher, beruflicher und allgemeiner Weiterbildung entscheiden. Die betriebliche Weiterbildung zielt auf die Qualitäts- und Produktivitätssteigerung des Betriebs bzw. der Schule und soll die Anstellung im Betrieb bzw. an der Schule sichern. Die berufliche Weiterbildung fokussiert die laufende Anpassung an die sich verändernden Qualifikationsanforderungen eines Berufs. Und die allgemeine Weiterbildung entwickelt die/den Lernenden in ihren/seinen überfachlichen, überbetrieblichen und einfach transferierbaren Kompetenzen (z.B. Führung, Projektmanagement, Sprachen). Die Investitionen in diese allgemeine Weiterbildung vereinfachen die Arbeitsmarktmobilität, so dass in andere Positionen oder prosperierende Betriebe und Branchen gewechselt werden kann.

Weiterbildungspflicht als Privileg

Es gibt vereinzelte Berufe, die eine Weiterbildungspflicht festgeschrieben haben, um die Qualifikationen im Berufsstand langfristig zu sichern. Es sind vor allem die institutionell stark verankerten Berufe – wie der Lehrerberuf –, die eine Weiterbildungspflicht kennen. Sie stellen über die Weiterbildungspflicht sicher, dass alle Träger/innen des Berufsdiploms jederzeit das gleiche Bündel an Qualifikationen aufweisen. Mit der Tertiarisierung der Lehrerbildung wurde entsprechend eine umfangreiche berufliche Weiterbildung erforderlich. Lehrpersonen haben nun das Privileg, dass in ihrem Berufsauftrag der Umfang beruflicher Weiterbildung festgelegt ist und sie diese Weiterbildung einfordern können – und aus Sicht des Berufsstands – einfordern müssen.

Betriebliche statt berufliche Weiterbildung

Aktuell besteht die Tendenz, dass sich der Umfang der beruflichen Weiterbildung der Lehrpersonen zugunsten der betrieblichen Weiterbildung verschiebt. Es sind die Schulleiter/innen, die im Rahmen ihrer Personalmanagementaufgaben die Weiterbildung der Lehrpersonen vor allem in den Dienst der Schulentwicklung (betriebliche Weiterbildung) stellen wollen bzw. müssen. Diese Verschiebung bietet grosse Chancen für die Schulen, sich als Schule weiterzuentwickeln und grosse und kleine Reformen in der Schule umzusetzen. Die Verschiebung hegt aber auch die Gefahr, dass die Anpassungen an die dynamischen Veränderungen im Beruf zu kurz kommen.

Berufskarrieren durch Eigeninitiative

Sowohl die institutionell festgeschriebene Weiterbildungspflicht, wie auch die von der Schule gelenkten Weiterbildungsmassnahmen vernachlässigen systematisch die Weiterentwicklung überfachlicher und einfach in andere Berufsfelder transferierbarer Kompetenzen. Wenn Lehrpersonen ihre Employability auf dem Arbeitsmarkt und ihre Arbeitsmarktmobilität (horizontal und vertikal) erhalten und erhöhen wollen, dann müssen sie in- und ausserhalb ihrer Weiterbildungspflicht für ihre „allgemeine Weiterbildung“ sorgen.

Der Weiterbildungsmarkt für Lehrpersonen bringt mehr und mehr Weiterbildungsstudiengänge hervor, die auf einen fachfremden Abschluss oder die auf inter- oder multidisziplinäre Erweiterung des grundständigen Hochschulabschlusses mit Lehrerdiplom zielen. Mit diesen Angeboten wird die Grundlage für individuelle Berufsbiographien und Karriereverläufe von Lehrpersonen geschaffen. Es sind aber die Lehrpersonen selber, die die Initiative und die Investitionen in diese Weiterbildung tätigen müssen. Denn Berufsbiografien und Berufskarrieren basieren auf den Mühen und Freuden jeder und jedes Einzelnen, die sich ihre berufliche Laufbahn gestalten.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

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