E-Mail-Check, die neue Rauchpause in der Erwachsenenbildung

Elektronische Geräte gehören zur Standardausrüstung der Teilnehmenden jeder Weiterbildung. Laptop, Tablet oder Handy der Teilnehmenden werden immer mehr von den Erwachsenenbildner/innen geplant eingesetzt und von den Teilnehmenden für ihre Notizen, instand Recherchen oder auch für das Beantworten wichtiger E-Mails genutzt. Das Multitasking in der Weiterbildung ist zur Norm geworden. Für gut oder für schlecht?

Mein Primarlehrer hat uns immer wieder zum selbständigen Arbeiten angehalten. Das war sehr verdienstvoll – und modern. Es war aber auch nicht ganz uneigennützig. Denn in dieser Zeit konnte er in Ruhe seine Zigaretten rauchen; im Klassenzimmer am Fenster stehend. Das war in den frühen 70er-Jahren. Dass noch in den 80er-Jahren während den Soziologieveranstaltungen geraucht wurde, kenne ich nur vom Hörensagen. Präsent ist mir aber noch, wie an Weiterbildungsveranstaltungen die Kursleitenden alle 45 Minuten eine offizielle „Rauchpause“ angeordnet haben, um den immer nervöser werdenden Teilnehmenden Zeit für ihre Sucht zu geben. Heute kennen wir die Rauchpausen nicht mehr. Schade sagen die einen, da die Rauchpause auch ein Garant für eine willkommene Unterbrechung der überstrapazierten Aufmerksamkeitsspanne war.

Heute stehen den Lehrpersonen, Dozierenden und Kursleitenden eine grosse Palette an Methoden und Medien zur Verfügung, um ihre Veranstaltungen abwechslungsreich und mit den notwendigen (Unter)Brüchen zu gestalten, dass kaum mehr jemand regelmässige, offizielle, fünfminütige Unterbrechungen erwartet. Zudem ist es heute für die Teilnehmenden dank der neuen Medien ein Leichtes, auch während der Veranstaltung eine individuelle Aufmerksamkeitspause einzulegen, indem sie E-Mails, Facebook, Twitter usw. checken. Gerade auch in der Erwachsenenbildung sind Dozierende/Kursleitende so liberal – oder konfliktscheu, dass ein Tippen auf dem Laptop oder Texten auf dem Handy kaum unterbrochen oder gar untersagt wird.

Ich stelle jedoch auch fest, dass E-Mail, Facebook, Twitter usw. checken zum Teil suchtartige Züge angenommen hat und vereinzelte Personen während der Weiterbildungsveranstaltung an die neuen Medien verloren gehen. Die Aufmerksamkeit aller Teilnehmenden ist in Weiterbildungsveranstaltungen für uns Erwachsenenbildner/innen zu einer knappen Ressource geworden. Die Teilnehmenden hingegen, die sich für eine Weiterbildung zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort mit fremden Menschen zusammengefunden haben und dafür viel Geld bezahlen, wollen ihre Zeit optimal nutzen und „multitasken“. Multitasking, das schnelle Wechseln des Hirns von einem zum andern, versetzt den Menschen zwar in ein neurochemisches Hoch, reduziert aber seine Leistungs- und Lernfähigkeit, wie auch das von ihrem unmittelbaren Umfeld.

Mit diesen Herausforderungen sind wir Erwachsenenbildner/innen heute konfrontiert. Klar, jetzt muss eine spannendere und herausfordernde Weiterbildung her. Veranstaltungen müssen so gestaltet werden, dass niemand unaufgefordert zum Tablet oder Handy greifen will. Wir können mit wissenschaftlich fundierten Argumenten Unitasking anregen, die Weiterbildung in mehr kürzere und dafür intensivere Sequenzen teilen, Handy und Laptop z.B. durch „Google jockeying“ einbinden oder wir können auf das alt bewährte Konzept der „Rauchpause“ zurückgreifen und vereinbaren, dass es regelmässig alle z.B. 35 Minuten eine 5-minütige E-Mail-Check-Pause gibt. Hilfreich dabei ist, wenn diese Pausen Teil einer gemeinsamen „Vereinbarung“ über die Nutzung von Laptops, Tablets und Handys während der Veranstaltung sind.

Prof. Dr. Jürg H. Arpagaus, Prorektor, PH Luzern

 

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