Welches Theater braucht die Schule?

“Welches Theater braucht die Schule?“

Kolloquium im Rahmen des Schultheaterfestivals Hannover „JugendspieltfürJugend“

Donnerstag 18. Juni 2015. Der prunkvolle Mosaiksaal des Neuen Rathaus in Hannover füllt sich allmählich. Vier Expertentische, auf denen noch einsame Schilder das Kommende ankündigen, werden umgehend zu Gastgebern für die kommenden drei Stunden. Es scheint mir eine schöne Übereinstimmung zu sein, dass sich in Bezug auf berufliche Ausgangspunkte und Hintergründe die vielfältig zusammengesetzte Gruppe interessierter Menschen gerade im Mosaiksaal trifft, in welchem sich Sichtweisen, Haltungen, Erkenntnisse und Fragen im Verlaufe der angeregten Diskussionen zu einem Bild, einem Gesamteindruck zusammenfügen. Als Momentaufnahme. Hier. Jetzt. In Bezug auf die Fragestellung. „Welches Theater braucht die Schule?“.

Mit einleitenden Worten umfasste Ole Hrschka die aktuelle Sicht auf die Beziehung zwischen Theater und Schule. Dabei erwähnte er, dass aus Sicht der kulturellen Bildung die Liaison Theater und Schule durchaus als „Traumpaar“ verzeichnet werden könne, was aber nicht bedeute, dass dennoch viel Optimierungspotenzial im Auge behalten werden müsse, um beispielsweise dem grundlegenden Anspruch, dass möglichst alle Kinder während ihrer Schulzeit mit den Künsten in Berührung, in Reibung und Auseinandersetzung gelangen können, Folge zu leisten.

Im Anschluss diskutierten an vier Tischen rund 50 TheaterleherInnen, TheaterpädagogInnen, sowie Dozierende und Studierende verschiedener Hochschulen. Die thematischen Schwerpunkte an den einzelnen Expertentischen wurden durch Kurzinputs von vier Referentinnen eröffnet, indem sie ihre persönlichen Arbeitsfelder, Erkenntnisse aus Forschungsergebnissen, Ausschnitte aus dem Schul-Theateralltag als Grundlage für eine Diskussion vorstellten. Inhaltlich folgten die Referentinnen folgenden Themenschwerpunkten:

– Zur Qualifikation von Theaterlehrer_innen (Prof. Dr. Dorothea Hilliger)

– Die Wirkung des Theaterspielens auf junge Menschen (Prof. Dr. Romi Domkowsky)

– Partizipativer Theaterunterricht (Maren Konn)

– Bildungspolitische Perspektiven (Katja Krach-Grimm)

Dabei erfassten 4 ModeratorInnen an den jeweiligen Tischen zusammenfassend sich herauskristallisierende Fragen. Dabei zeichneten sich Fragen zu umfangreichen Themenbereichen ab, welche hier ausschnittweise einzufangen versucht werden. Es waren dies Fragen…

  • zur Haltung der Spielleitung
  • zur Spannung zwischen Ziel- und Prozessorientierung
  • zu möglichen Methoden und Herangehensweisen (Handwerk und Haltung)
  • zu Wunschvorstellungen und Idealen gelungener Bildungsprozesse in Bezug auf künstlerisch-gestaltende Beteiligung
  • zur wünschenswerten Wirkung auf die Spielenden
  • zum Ausgangspunkt, wann künstlerische Arbeit beginnen kann
  • zu Grenzen eines top-down-Verhältnisses
  • zu Übergängen zwischen theatraler und aussertheatraler Welt
  • zu Zusammenhängen zwischen künstlerischem und demokratischen Handeln
  • zu den Chancen einer Öffnung der Schulen durch künstlerische Arbeitsweisen

Im anschliessenden Podiumsgespräch, welches sich aus

  • Detlef Lehmbruck, Referatsleiter Musik und Theater MWK
  • Sven Stagge, Niedersächsisches Kultusministerium
  • Gunter Mieruch, Vorsitzender des Bundesverbandes Theater in Schulen
  • Ursula Ulrich, Co-Leiterin Zentrum Theaterpädagogik, Luzern
  • Michael Bax, IGS Mühlenberg, Hannover

zusammensetzte, wurde zu den an den Expertentischen entstandenen Fragen die Diskussion eröffnet.

Inhalte dazu wurden rege diskutiert, wobei eine grosse Aufmerksamkeit auf die aktuellen politischen Begebenheiten um Gelder/ Kürzungen im Bundesland Niedersachsen Raum einnahmen.

Dennoch kamen Fragen wie „Kann sich Schule ernsthaft künstlerische Prozesse ergebnisoffen vorstellen?“ oder „Muss verantwortliche theaterpädagogische Arbeit alle aktuellen Diskurse abbilden und verhandeln?“ oder auch „Kann man Theater auf Augenhöhe (Spielleitung-Spielende) realisieren?“ nicht zu kurz.

In Deutschland stellen sich, da Theater als Schulfach DS (darstellendes Spiel) sowie als Theater-AG (Wahlfachkurse) in Bezug auf die LeherInnenbildung als auch auf das Aufeinandertreffen von Haltungen (künstlerischen und pädagogischen, beurteilenden, bewertenden, ergebnisoffenen und forschenden …) teilweise andere Fragen als in der Schweiz, wo Theater in den meisten Schulen zwar einen festen Platz einnimmt, nicht explizit als Schulfach im Lehrplan erscheint.

Möglicherweise, so mein Fazit, würde man die Frage in der Schweiz in Bezug auf die momentane Bildungssituation eher umdrehen und somit danach fragen:

„Welche Schule braucht das Theater?“

Dabei treten vorerst Fragen nach dem gewünschten Profil einer Schule, nach Triebkräften und Lobbys in Bezug auf künstlerische und kulturelle Bildung, nach Wirkungswünschen und deren Erkenntnissen, nach Reflexionschancen, nach Legitimationsargumenten motivierter und überzeugter Lehrpersonen, nach Gefässen, Räumen, Ressourcen für Theater, nach einem Mehrwert durch künstlerische Forschungsfelder in Bezug auf Schulkultur-Entwicklung, nach zusammenhängen zwischen Heterogenität und ästhetisch-künstlerischem Gestalten … in den Vordergrund, um sich in Wechselwirkung wiederum ebenso mit denselben Fragen auseinanderzusetzen, wie sie ober erwähnt wurden: Welches Theater braucht die Schule?

 

 

 

Ein Kommentar zu “Welches Theater braucht die Schule?

  1. Danke für diesen ausführlichen Bericht.
    Genial die Umkehrung der Fragestellung. Das bringt die CH-Diskussion auf den Punkt.

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