Stereo – Typen

Theaterproduktion von Kolypan & Teatro Lata, Zürich

Besuch einer öffentlichen Vorstellung am 4. März im Schlachthaus Theater Bern

von Kathrin Brülhart Corbat

Auf der Bühne steht eine typische Schulgarderobe. Wir sind gerade dabei, als Rico vor die Tür gestellt wird. Rico hat viele Probleme in der Schule, Zahlen und Buchstaben sind nicht so sein Ding, er hat auch häufig Stress mit seinen Klassenkamerad*innen. Die machen ihn so wütend, bis er dreinschlägt, nun geht er eigentlich allen aus dem Weg. Bis Robi auftaucht. Auch er wurde vor die Tür gestellt, auch er ist ein Einzelgänger ohne Freude – Rico und Robi entdecken schnell eine gemeinsame Leidenschaft: das Musik machen…

Die beiden treffen sich nun immer wieder im Bandraum der Lehrpersonen, manchmal auch nachts: Robi hat einen Schlüssel zu diesem geheimen Paradies…

Hier werden wir nun Zeugen, wie tolle Songs entstehen. Richtig coole Songs mit Texten (von Robi!) und den noch cooleren «moves» (natürlich alles live – beide Schauspieler sind tolle Musiker) Hier werden Streiche ausgeheckt und stundenlang in Game-Welten abgetaucht.

Was in diesem Proberaum aber vor allem passiert; da wird echtes Entstehen von Vertrauen einer Jungenfreundschaft gezeigt: allmählich fallen die Coolness- Muster.

Es wird mit Nuscheli geschlafen und ins Bett gepinkelt vor Angst. Wir blicken hinter die Fassade von gängigen «Männlichkeitsbildern».

Ein wunderbarer Moment auch, als die beiden Väter der Jungs ins Spiel kommen, da es Puff gibt mit der Schulleitung. Robi und Rico haben die Wände im Schulhaus vollgesprayt mit ihrem Logo Stereo-Typen, das kostet natürlich was und wird zur Bewährungsprobe für das Duo.

Aber so viel verrate ich an dieser Stelle: am Schluss kommt es zu einem Schulkonzert erster Klasse !

Eine empowernde Geschichte über eine Jungenfreundschaft, feinfühlig erzählt mit viel Musik für alle ab 8 Jahren.

Drü Insle

Theaterproduktion von Triplette, Luzern

Besuch einer öffentlichen Familienvorstellung am 19. Februar 23 im Tojo Theater der Reitschule Bern, von Kathrin Brülhart Corbat.

«Lueg das send d’Wohnige», «Nei das send d’Insle», «äbe, d’Ensle esch dänk e Wohnig», neben mir sitzen zwei Kinder und warten gespannt, bis es losgeht.

Mit lautem Möwengekrächze fliegen sie auf die Bühne: «Mier send die coole Möve ond flüüged öbers Meer, Carlotta, Gaby, Lia, so heissed mier ….», immer wieder hören wir diesen Sprechgesang und fühlen uns schon weit weg, irgendwo am Meer.

Es ist Morgen. Die drei Inselbewohnerinnen leben je auf einer unterschiedlichen Insel (toll eingerichtet auf einem Holzpalette 🙂 Sie erwachen und gehen ihrer Morgenroutine nach. Da wird Kaffee getrunken, die Werkbank eingerichtet, indem jedes einzelne Werkzeug begrüsst wird; auf eigensinnige Art Zähne geputzt und nach den Möwen Ausschau gehalten. Danach wird gehämmert und genagelt, gebacken und geschrieben.

Von aussen betrachtet: pures Lebensglück, denen geht’s gut, auch wenn sie allein auf ihrer Insel leben. Jede hat auch ein Spiel gegen die Langeweile, wie «Schäri, Stei, Papier» oder «Becher rücken». Das kann man nämlich tiptop allein spielen.

Jedoch am Abend, wenn es eindunkelt, kommt die Einsamkeit angeschlichen, dann sehnen sich alle Drei nach Freundschaft. Wie gerne hätten sie mal Besuch und würden gemeinsam Kuchen essen, Gedichte erfinden oder die Werkbank aufräumen.

Und dann kommt der Moment, auf den wir alle im Publikum gewartet haben: beim Möwen beobachten durch das Fernglas, entdecken sie einander! Nun werden Briefe geschrieben und Einladungen getippt und dank der Möwenpost gelangen diese auch an den richtigen Ort.

Wie gross die Freude über die erhaltenen Einladungen ist, kann man sich ja vorstellen und dann kommt mein Lieblingsmoment in diesem Stück: Wie gelangt man jetzt auf die andere Insel, wie kommt man über’s Wasser… da ist das Papierschiff viel zu klein, um einzusteigen oder das «Schletzband» funktioniert zu wenig gut.

Als alle schon aufgeben wollen, passiert etwas, das an dieser Stelle nicht verraten wird. Nur so viel: naturwissenschaftlich nicht ganz einwandfrei aber wunderbar magisch!

Eine herzerwärmende Geschichte über das Einsam- sein, Sehnsucht- haben und Freunde-finden für alle ab drei Jahren.

So nicht mein Prinz!

Ein Erzähltheater von Alexandra Frosio

Frei nach dem Bilderbuch „Der Prinz im Pyjama“ von Heinz Janisch.

Besuch einer öffentlichen Vorstellung am 13. Januar 2023 im Theater Kellerpoche, Fribourg von Kathrin Brülhart Corbat

Vor der Tür vom Theater Kellerpoche in Fribourg ist an diesem Sonntagmorgen viel los: man kann den «Stalden» in der Altstadt runterschlitteln, zig Kinder stehen mit ihren Schlitten und Skihelmen an… «Der Schnee wird jedes Jahr hertransportiert», erklärt man mir am Eingang zum Kellerpoche. Hoffentlich kommen noch ein paar ins Theater. «Wir gehen dann einfach après» erklärt mir ein kleiner Junge, zuerst Theater – dann schlitteln, so geht das.

Wir steigen die steile Treppe runter ins Kellerpoche und suchen uns einen Platz. «Schön ist es hier», meint ein kleines Mädchen neben mir. Stimmt, dieses Kellerpoche Fribourg hat seinen Charme.

Endlich geht’s los, wir erfahren, dass Prinz Isidor ein hübscher Prinz ist, der Liebling von der Königin und dem König. Aber leider gibt es da ein Problem, Isidor will einfach nicht die Kleider anziehen, die sich für einen Prinzen gehören, er hasst die weiten Puffärmel von der weissen Prinzenbluse und die engen Strumpfhosen, sie jucken und kratzen, sind steif und unbequem. Am liebsten trägt Isidor seinen dunkelblauen, kuscheligen Ganzkörper-Pijama. «Und was ist Dein Lieblingspijama?» immer wieder werden die kleinen Zuschauer*innen ins Geschehen einbezogen, die vierte Wand gebrochen.

Mit grossem Gespür für Kinderfragen führt Alexandra Frosio als Erzählerin durch die Geschichte von diesem sympathischen kleinen Prinzen. Wir erfahren, dass Isidor ein grosser Erfinder ist, er hat zum Beispiel den Meter erfunden und die Nähmaschine und die Bettflasche und…

Aber eben dieses Pijama, das geht gar nicht, eines Tages wird der König so wütend, dass er Isidor in die weite Welt rausschickt, er soll nun endlich lernen ein richtiger Prinz zu sein, mit Drachen töten und mutig sein und so. Isidor meistert sein «Prüfungen» mit Bravour und das soll an dieser Stelle verraten werden, natürlich mit Hilfe verschiedener Pijamas, die er in seinen Koffer gepackt hat. Eine meiner Lieblingsstellen, als der Räuberhauptmann mit seinen 24 Kollegen das rote Pijama geschenkt bekommt (spannt etwas um den Bauch und ist viel zu kurz) und sich von diesem Geschenk besänftigen lässtJ

Die Geschichte endet wie im Märchen: mit Elisabeth einer Prinzessin, die eine absolut geniale Schwimmerin ist und einer Koffer-Hochzeitstorte auf der ganz zuoberst eine Musikdose «für Elise» spielt.

Eine wundervolle phantasieanregende Geschichte für alle ab vier Jahren.

Die Geschichte vom Onkelchen

Theaterproduktion von La Grenouille, Biel

Besuch einer Schulvorstellung am 26. Januar 23 im Tojo Theater der Reitschule Bern

von Kathrin Brülhart Corbat

Wir kommen rein, ich und ca 100 Erst- und Zweitklässler*innen hören schon beim Reinkommen Streichertöne, das Cello wird gestimmt, zwei Geigen und eine Bratsche. Die Musikerinnen stimmen sich ein und wir sind live dabei. «Schön!», staunt ein Junge neben mir. «Hat es schon angefangen?» fragt er, « ich glaube schon», meint seine Nachbarin.

Der kleine Onkel lebt in seinem Haus ganz alleine am Waldrand. Er liebt Kaffee und möchte gerne einen Freund. Nachts weint er, weil er so einsam ist. Eines Tages schreibt er kleine Zettel mit der Nachricht «Einsamer Onkel sucht einen Freund», diese klebt er überall an die Bäume. Danach setzt er sich auf die Treppe vor seinem Haus und wartet…

Das ist der Anfang dieser wundervollen Geschichte nach dem Bilderbuch von Barbro Lindgren. Wir sehen ein Musiktheater fast ohne Worte über Einsamkeit und Freundschaft. Das Streichquartett «erzählt» mit. Die Musikerinnen bewegen sich mit ihren Instrumenten, sind mal mitten auf der Bühne oder neben dem Haus vom kleinen Onkel oder weit weg auf ihren vier Stühlen an jeder Ecke des Bühnenraumes.

Zurück zur Geschichte: der kleine Onkel wartet zehn Tage und zehn Nächte. Als er die Warterei schon fast aufgibt, taucht endlich jemand auf – ein Hund. Die beiden mögen sich von der ersten Minute an. Endlich hat der kleine Onkel einen Freund, den er sogar in seinem Bett übernachten lässt und mit Kaffee verwöhnen kann.

Die Zeit vergeht, es wird Sommer, mit wunderbaren musikalischen Insektenflügen, dann kommt der Herbst mit einem genialen Geigensturm. Als es Winter wird, erleben wir, was es heisst, wenn man seinen allerbesten Freund teilen muss.

Liebe, Zuneigung und Wärme sind in diesem Stück für alle fass- und erlebbar. Fein und schlicht erfahren wir viel über sich gernhaben, traurig und überglücklich sein.

Die Theaterfassung von Thomas Brömmsen und Lars-Erik Brossner stand bereits vor 25 Jahren auf dem Spielplan von La Grenouille. Wunderbar, dass sie erneut aufgenommen und von Charlotte Huldi neu inszeniert wurde. Für alle ab 5 Jahren.

Was macht ds Wätter

Ein Objekttheater für alle ab 3 Jahren von Engel&Magorrian, Bern

Besuch einer Schulvorstellung am 5. Dezember im Schlachthaus Theater Bern

von Kathrin Brülhart Corbat

Nur ungern trennt sich der Wetterwart von seiner Decke, lieber möchte er noch etwas länger Nacht haben. Aber das geht nicht, die Nacht ist nun vorbei, sie muss gehen, vorsichtig wird sie in ein Kästchen gelegt, aber auch die Nacht wäre gerne noch etwas wach, sie möchte noch nicht gehen… das Kästchen springt immer wieder auf, mit einem Gutenachtkuss funktionierts – endlich, weil die Sonne wartet schon.

Es gibt viel zu tun an so einem Morgen: Da muss als erstes der Mond abgehängt werden und natürlich wird Radio gehört, schliesslich muss man ja rausfinden, was das Wetter heute macht: Am Vormittag Sonne, blauer Himmel und am Nachmittag etwas Wolken und Regen.

Zuerst wird die Sonne aufgepumpt, zu Beginn will sie noch nicht an den Himmel, sie möchte lieber noch etwas herumgumpen, vorwärts und rückwärts, recht wild ist sie. Der Wetterwart erklärt uns, das sei normal, dass sie so wild tut – ja, weil nachher muss sie ja ganz ruhig über den Himmel gleiten, da darf sie sich nun schon noch etwas austoben. Finden wir auch.

Und wo ist eigentlich der Regen? Den brauchts am Nachmittag auch. Aber zuerst noch der blaue Himmel, ein wunderschöner, etwas selbstverliebter Himmel kommt zum Vorschein, er singt für’s Leben gerne und möchte eigentlich mehr im Vordergrund sein… aber das geht nicht, der Himmel muss in den Hintergrund.

Später erfahren wir, dass der Schnee krank ist, er hat Fieber und befindet sich im Kühlschrank und eben der Regen, wo steckt er bloss, will er wieder Versteckis spielen? Nein bitte jetzt nicht! Wir haben keine Zeit. Bald schon muss es regnen. Aber ojeee dem Regen geht es nicht gut, er ist traurig, immer gehen alle nach Hause, wenn er kommt… Zum Glück kann der Wetterwart so gut trösten und es kommt alles gut am Schluss, auch mit dem Regen.

Wunderbar verspielt und fröhlich thematisiert «Was macht ds Wätter»

die Herausforderung, wenn etwas zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Der Wetterwart kümmert sich um die Wetter-Elemente mit viel Geduld. Selbst wenn sie seine Nerven strapazieren, verliert er nie den Humor.

Ausgangslage für das Stück bildet die Situation, die Begleitpersonen von jüngeren Kindern nur zu gut kennen: Die Herausforderung, sich für den Tag bereit zu machen. Pünktlich und in der richtigen, dem Wetter und der Jahreszeit angepassten Kleidung am richtigen Ort zu sein, währenddem die Kleinen und ihre Bedürfnisse immer wieder die Kontrolle übernehmen und nicht alles wie geplant abläuft….

Ein Objekttheater mit viel Musik, das starke Bilder schafft und auch die Allerkleinsten die Theater-Magie erleben lässt.

Toto, Laura & die Stadtmusikant*innen

Theaterproduktion von Kolypan, Zürich

Besuch einer Schulvorstellung am 7. November 22 anlässlich des Theaterfunkens in der Kleinen Bühne Zofingen von Kathrin Brülhart Corbat

Ob wir auch ein Instrument spielen und welches, werden wir zu Beginn von Toto gefragt. Erstaunlich viele Kinder spielen ein Instrument, fast alle. Toto, der Strassenmusiker freut sich: «Wow, das ist super und falls jemand kein Instrument spielt, das da ist einfach und günstig…» Toto spielt nun wie ein Verrückter auf der Ukulele. «Cool!», lacht ein Junge neben mir, «ich spiele Handorgel.»

Schon bald sind wir mitten in einem Toto- Live- Konzert, bis der Strecker gezogen wird – von Laura. Laura braucht unbedingt Strom und ein Bett. Laura ist obdachlos und ihr Handy-Akku ist leer. Wir erfahren, dass sie nach dem Tod ihrer Grossmutter den Boden unter den Füssen verloren hat und nun auf der Strasse lebt.

Nun möchte Laura mit ihrem übergrossen Migroswagen, an dem zig Plastiktaschen hängen, wieder gehen; aber Toto und die Kinder halten sie auf. Sie solle bleiben, unbedingt! «Mach mit, getrau Dich!» Und schon bald beginnt Laura den spanischen Hunde-Song von Toto zu übersetzen und noch einen Tuck später, getraut sie sich sogar zu singen, und wie sie singt… wunderschön.

Die beiden sind ein richtiges Strassenmusikanten-Dream-Team. Da wird als Katze getanzt und als Hahn gekämpft und je länger das Konzert dauert, je mehr wird eine bekannte Geschichte reingesponnen: die Bremerstadtmusikanten.
In «Toto, Laura & die Stadtmusikant*innen» wird das Märchen neu erzählt und dazu erfunden, den jeweilige Situationen von Toto und Laura’s Tour angepasst.  

Wunderbar schräg und witzig. Gemeinsam ziehen die beiden mit Esel, Katze, Hahn und Hund weiter und man wünscht sich, dass sie für immer zusammenbleiben.

Ein starkes Stück über Freundschaft und Mut, mit viel Musik für alle ab 8 Jahren.

Abentür

Theaterproduktion von Theater Tägg en Amsle, Zürich

Nach dem Bilderbuch von Helme Heine

Besuch einer Schulvorstellung am 25. Oktober 22 in der Primarschule Erlenbach BE

von Kathrin Brülhart Corbat

Im Minutentakt treffen sie ein: mehrere Schulbusse aus verschiedenen Schulgemeinden aus dem Simmental landen auf dem Parkplatz der Primarschule in Erlenbach. «Wir haben gerade Flugzeug gespielt» ruft mir ein Kind zu und schon strömen sie erwartungsvoll Richtung Aula. 115 Kinder sind bereit: Das Abentür kann starten.

Als erstes lernen wir die drei Freunde Johnny Mauser, Franz von Hahn und das Schwein Waldemar kennen. Jeweils in ‘Grossformat’ als Schauspieler*in und in ‘Miniformat’ als Klebebandfigur. «Die kenne ich schon» raunt ein Erstklässler neben mir, «das sind die gleichen wie im Bilderbuch». Genau, es ist ein Theater nach dem Bestseller von Heine Helme. Nach dem erfolgreichen Theaterstück «Freunde» ist «Abentür»  bereits der zweite Streich vom Theater Tägg en Amsle. In beiden Stücken führte Paul Steinmann Regie.

Die drei Freunde leben auf dem Bauernhof, eigentlich ein schöner Ort, mit vielen Kühen, Fliegen, einem Hund und einigen Ameisen und doch ist es manchmal etwas langweilig, der Alltagstrott halt. Immer dieses Gegacker und die Eierleggerei der Hühner, diese blöden Mausefallen und überhaupt… es ertönt ein wunderschöner Langwiili Blues und bald ist es Zeit für eine Velofahrt in die weite Welt hinaus.

Die Welt der Abenteuer ruft und diese folgen Schlag auf Schlag: da muss eine Gans vor dem Fuchs gerettet werden, das kleine Kalb Hugo seine Mutter wieder finden, Wind und Wetter getrotzt und eine Schatzkiste am Roten Meer entdeckt werden und… und… und.

Manchmal wird es richtig brenzlig, zum Beispiel beim hungrigen Koch mit dem spitzen Metzgermesser, aber alles kommt gut. «Glück gehabt!», meint ein Mädchen neben mir. Als die drei Freunde auf dem Rücken eines Elefanten wieder nach Hause getragen werden, sind wir fast etwas erleichtert, dass nicht noch ein weiteres Abenteuer auf die Freunde wartet.

Ein Theaterstück über die Neugier auf das Unbekannte und die Kraft der Freundschaft. Mit viel Musik und Überraschungen, für alle ab 5 Jahren.

Expedition Tierreich

Hausproduktion Vorstadttheater Basel

Premierenbesuch am 21. Oktober 22 im Vorstadttheater Basel, von Kathrin Brülhart Corbat

Ein riesiger Kleiderhaufen liegt auf der Bühne, gespannt wartet das Premierenpublikum, bis es losgeht. In der Reihe vor mir sitzt eine vierte Klasse, welche beim Erarbeiten des Stückes beteiligt war.

Endlich bewegt sich was, das kauzige Forscherteam, bestehend aus Herr Dröse und Frau Rupp, schält sich aus dem Kleiderberg. Als erstes werden wir bestaunt, «das ist eindeutig eine Herde vom Typ Homo Sapiens», meint Frau Rupp und die Expedition ins Tierreich beginnt. In den nächsten 70 Minuten werden wir Teil von ihren Abenteuern. In einem grossartigen Verwandlungsspiel, mit wunderschöner Musik, vielfältigen Klängen, und verstärkten Livestimmen werden wir ins Reich der Tiere geführt und staunen mit Herr Dröse und Frau Rupp um die Wette.

Was es da nicht alles gibt: Schwangere Seepferdchen und emsige Bienen, sich begattende Frösche und vorbeigaloppierende Pferde. Wir erleben eine Geburt von zwei kleinen Pandabären und sind dabei, als eines von ihnen stirbt (das ist bei Pandabären immer so). Weiter erfahren wir, dass sich Haifischbabys im Mutterbauch bekämpfen (die haben da bereits kleine spitze Zähne) und wir sind dabei, als das Yak mit seinen Hörnern die Sterne vom Himmel pflückt.

Als Herr Dröse und Frau Rupp sich in der Tiefsee- Tauchkapsel anschnallen, raunts eine Sitzreihe vor mir: «Jetzt, jetzt kommts!», die Kinder aus der vierten Klasse wissen natürlich, was uns nun erwartet: Wir tauchen auf eine Tiefe von 10’000 Meter und sehen zuerst mal nur – schwarz… und dann… unglaublich gespenstische Wunderwesen. Alles weitere darf an dieser Stelle nicht verraten werden.

Alle Tiere werden aus dem Kleiderhaufen «geboren», sozusagen hervorgezaubert. Aus dem rosaroten Baby Body wird ein kleiner Panda, aus einer gestreiften Socke ein lustiger Fisch. Spannend auch, immer wieder wird der riesige Kleiderhaufen für mich zum Müllhaufen; «unser Müll», als eine grosse Herausforderung für alle Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier. Ohne moralisch zu sein, ist die Botschaft klar: Unser Planet ist eine Perle, mit tausenden von Schätzen, die es zu schützen gilt.

Ein Theater für alle Naturliebhaber*innen ab acht Jahren.

Zwei Faultiere retten die Welt

Theaterproduktion von Triplette, Luzern

Besuch einer Schulvorstellung am 12. September 22 im Kleintheater Luzern

von Kathrin Brülhart Corbat

Im neuen Stück von Triplette möchten zwei Faultiere und eine Eule die Welt retten. Sie leben im Regenwald, umgeben von Ameisen, Fröschen, Mäusen und Schmetterlingen, es zirpt und piiipst die ganze Zeit (live «hergestellt» von Dominic Röthlisberger). Hier lässt es sich gäbig schlafen und träumen, ein wunderbares Faultierleben eben.

Eines Tages bekommen die beiden Faultiere Post. Da sie nicht lesen können, wenden sie sich ans Publikum. Eifrig werden die Briefe aus aller Welt vorgelesen. Fazit: Es ist fünf vor 12 – wir müssen die Erde retten! Aber wie? Hmmm… wie? Am Besten nochmals etwas schlafen….

Als dann aber der Urwald verstummt und die Motorsägen immer lauter werden, wird gehandelt. Wir müssen die Erde retten! Aber wie? ….Zum Beispiel weniger Plastik brauchen, am Geburtstag weniger Geschenke wünschen, das eigene Gemüse anpflanzen und vor allem STOP sagen, laut und deutlich. Wie die Geschichte ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten.

In diesem Stück befasst sich Triplette mit der heutigen Konsum-und Wegwerfgesellschaft: Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann gibt es unsere Welt vielleicht bald nicht mehr. Aber wem gehört die Welt? Und wieviel von ihr dürfen wir nehmen? Was haben Faultiere damit zu tun?

Mit diesen und ähnlichen Fragen wandte sich die Truppe an Kinder. Mittels Spielen, philosophischen Workshops und Interviews haben sie gemeinsam mit den Kindern über die Welt der Menschen und über die Welt der Faultiere nachgedacht. Das daraus entstandene Material bildet die Basis für «Zwei Faultiere retten die Welt» und fliesst gekonnt in Form von Tonspuren und Briefen ins Theaterstück ein.

Ein wichtiges, brennendes Thema für Menschen ab 8 Jahren.

Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute

Theaterproduktion von La Grenouille, Biel

Besuch einer Schulvorstellung am 19. Mai 22 im Tojo Theater der Reitschule Bern

von Kathrin Brülhart Corbat

Am letzten Donnerstag besuchte ich eine sehr eindrückliche Inszenierung, die mich noch heute, vier Tage danach, mit starken Bildern zurücklässt: Der zitternde «Gestreifte», der den Bären füttern muss. Der Bär im Regen, schutzsuchend in seiner Höhle; das Murmeltiermädchen, das ihm die Höhle einrichtet. Der gescheitelte Junge auf der Seite der schönen Häuser, mit seinem übergrossen Gewehr. Der Junge auf der anderen Seite des Zauns, mit dem Loch im Kopf….

Aber besser der Reihe nach. Wir befinden uns in einem Zoo, einem Schwarzweissfotozoo. Hier wohnen Mama und Papa Pavian, Herr und Frau Mufflon, schwarze Schwäne, Enten und ein Murmeltiermädchen. Eines Morgens liegt das Nashorn steif und starr, mit traurigen Augen auf dem Boden. An was ist es wohl gestorben? An Heimweh? Am Wetter? Oder hat es etwa über den Zaun geschaut? Das beschäftigt die Tiere eine Zeit lang, aber schon nach einem ausgiebigen Winterschlaf ist das tote Nashorn vergessen. Es wird «ersetzt» durch einen jungen russischen Bären.

Dieser Neuling möchte vieles wissen und stellt unbequeme Fragen, er getraut sich sogar auf die andere Seite des Zauns zu schauen: Was sind das für spindeldürre Zebrawesen auf der anderen Seite? Warum stinkt es hier so komisch? Und warum gibt es keine Vögel? Die Fragerei passt Papa Pavian und den anderen Zoobewohnern überhaupt nicht, der Bär solle sich da raushalten, sonst bringe er sich und die anderen in Gefahr. Doch das tut er nicht, der mutige Bär fasst einen folgeschweren Plan…

Es hat ihn tatsächlich gegeben, einen Zoo neben dem Konzentrationslager Buchenwald, zum Amüsement der Bevölkerung und der Familien der Aufseher. Jens Raschke hat aus dieser Tatsache einen der bedeutendsten, mehrfach preisgekrönten Theatertext für junges Publikum geschrieben. Das Theater La Grenouille inszeniert diesen mit den Mitteln des Erzähltheaters und vielen Figurenwechseln. Auf feinfühlige Art werden wir durch die Geschichte geführt, im Kopfkino eines jeden geht genau das ab, was man «verträgt». Das Wort Konzentrationslager fällt im ganzen Stück nie. Genauso wenig wie die Nazis, beim Namen genannt werden.

Ein eindrückliches Theaterstück über kollektives Wegsehen und ein starkes Plädoyer für Zivilcourage für alle ab 9 Jahren.

«Es ist die Frage, ob Kinder über dieses erschütternde Kapitel des Menschseins informiert werden sollten, ob sie etwas davon wissen sollten. Für uns ist dies klar: Ja, denn den Kindern wird die Welt, so wie sie heute ist, sowieso zugemutet, und dies meist ungefiltert über die Medien. Umso wichtiger ist es, mit Theater und seinen Geschichten Momente zu haben, wo Erlebtes und menschliches Verhalten reflektiert und geschärft werden kann. Und damals wie heute sind es ja auch immer wieder Kinder, die Opfer von Unmenschlichkeit werden, oder zu Mitläufern oder Tätern erzogen werden. Letztlich stellt sich die Frage, was wir Kindern zumuten wollen, das Totschweigen einer schlimmen Wirklichkeit oder die Aufklärung darüber.»
Jens Raschke über sein Stück.